Seit gut zwei Monaten sitzt Jörg Kachelmann in Untersuchungshaft. Er beteuert seine Unschuld. Foto: dpa

Im Fall Jörg Kachelmann gibt es offenbar Zweifel an der Aussage des mutmaßlichen Opfers.

Mannheim - Bisher hat das Landgericht Mannheim noch nicht entschieden, ob die Anklage gegen Jörg Kachelmann zugelassen wird. Doch schon jetzt gibt es eine heftige Auseinandersetzung über die Gutachten in dem Fall. Das schadet sowohl dem TV-Moderator als auch dem vermeintlichen Vergewaltigungsopfer.

Die Pressemitteilung des Landgerichts Mannheim ist dürr und in der typischen Satzlänge der Bürokratie: "Der Verteidiger von Herrn Kachelmann, Herr Rechtsanwalt Dr. Birkenstock, hat u. a. im Hinblick auf das noch von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene, mittlerweile vorliegende, über 100 Seiten starke aussagepsychologische Gutachten den Antrag gestellt, den Haftbefehl aufzuheben." Da noch weitere Stellungnahmen, unter anderem der Staatsanwaltschaft, ausstünden, werde die Strafkammer voraussichtlich erst in der nächsten Woche über den Antrag entscheiden.

Sitzt Kachelmann unschuldig in Untersuchungshaft?

Es kommt Bewegung in den Fall Kachelmann und der Frage, ob der populäre Moderator am 8. Februar seine heute 37-jährige Ex-Freundin vergewaltigt, ihr ein Messer an den Hals gehalten und sie mit dem Tod bedroht hat. Anlass war am vergangenen Wochenende ein Vorabbericht des "Spiegels", der aus eben jenem Gutachten zitiert. Es wurde von der Bremer Psychologin Luise Greuel erstellt, beurteilt die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Kachelmanns Ex-Freundin und kommt zum Schluss, dass die Schilderung der Vergewaltigung "nicht die Mindestanforderungen an die logische Konsistenz, Detaillierung und Konstanz" erfülle. So würden auch Sachverhalte dargestellt, die handlungstechnisch unwahrscheinlich bis unmöglich seien.

Das heißt nicht, dass die 37-Jährige falsch ausgesagt hat. Aber ist ihre Schilderung noch plausibel? Sitzt Kachelmann seit dem 20. März unschuldig in Untersuchungshaft?

"Blinden Jagdeifer und skandalöse Schwatzsucht"

Immer mehr zeigt sich, wie komplex der Fall Kachelmann ist. Ohnehin sind echte oder vermeintliche Vergewaltigungen ein schwieriges Terrain für die Justiz. Meist gibt es keine Zeugen, es steht Wort gegen Wort. Schwer zu beurteilen, wie glaubwürdig eine Aussage tatsächlich ist, vieles erscheint plausibel, auch im Fall Kachelmann. Der Moderator hat, das zeigen die im "Spiegel" zitierten Gerichtsprotokolle, oft mehrere Beziehungen gleichzeitig geführt, ohne dass die Frauen davon wussten. Er weckte bei ihnen auch Hoffnungen auf eine längerfristige Partnerschaft, teils auch auf ein Kind. Geht so einer gut mit den Frauen um? Aber ist die betrogene Frau wirklich ein Opfer, oder ist sie auf einem Rachefeldzug? Oder hat sie die Kenntnis von den anderen Frauen in Kachelmanns Leben so traumatisiert, dass sie Fakten einfach umdeutet?

Schiere Mutmaßungen. Aber Mutmaßungen, die seit langem in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Schuldig oder nicht schuldig? Viele würden den Fall am liebsten schon jetzt klären. Seit mehr als 20 Jahren beobachtet Gisela Friedrichsen Prozesse in der Republik, sie gilt als eine der angesehensten Gerichtsreporterinnen im Land. In ihren Büchern kritisiert sie, dass die Unschuldsvermutung zunehmend unterlaufen wird. "In der Medienwelt wartet man nicht mehr, bis es zur Hauptverhandlung kommt. Die Leute wollen schon vorher wissen, was hinter den Dingen steckt. Dadurch bekommt natürlich die Nachricht ein Eigenleben", sagt sie. "Dann kann man so viel über das ,mutmaßliche Opfer' oder die ,angebliche Vergewaltigung' schreiben - das wird einfach überhört."

"Blinden Jagdeifer und skandalöse Schwatzsucht"

Was heißt im Fall Kachelmann: Es ist noch völlig offen, ob er schuldig oder unschuldig ist. Sicher ist, dass etwas an ihm hängen bleiben wird. Kaum vorzustellen, dass er je als Wettermann wieder im Fernsehen auftritt. "Blinden Jagdeifer und skandalöse Schwatzsucht", hat Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker am Wochenende der Staatsanwaltschaft vorgeworfen. Diese ließ am Montag mitteilen, dass "auch in Kenntnis dieses Gutachtens" keine Veranlassung bestehe, die Tat anders zu bewerten. "Wir gehen weiterhin von einem dringenden Tatverdacht aus", heißt es.

Schuldig oder unschuldig - der Streit schwelt weiter. Rechtsexperten wie der Fellbacher Anwalt Bernd Kiefer gehen davon aus, dass das Landgericht die Klage gegen Kachelmann zulassen wird - aber der Moderator bis zur Verhandlung zumindest gegen Auflagen auf freien Fuß kommt. Dann könnte das Gericht möglicherweise ein Urteil fällen, wer tatsächlich Opfer und wer Täter ist. Schaden haben aber Kachelmann und seine Ex-Freundin bereits jetzt genommen.