Krankenhäuser können wegen des Fachkräftemangels 14,3 Prozent ihrer Betten nicht belegen. Foto: dpa/Marijan Murat

Ärzte und Pflegepersonal in Baden-Württemberg schaffen ihr Arbeitspensum nicht mehr, da Kollegen und Kolleginnen fehlen. Krankenhäuser präsentieren das erschreckende Ergebnis einer Studie.

Wegen des Personalmangels in Krankenhäusern müssen sich Patienten weiterhin darauf einstellen, dass ihre Operationen umgeplant und aufgeschoben werden. „Es wird viel über Fachkräftemangel gesprochen, aber das ist nichts Theoretisches mehr: Das ist bittere Realität“, sagte Heiner Scheffold, der Vorstandsvorsitzende der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), am Montag auf einer Pressekonferenz in Stuttgart.

Die Lage habe sich durch die Corona-Pandemie weiter verschärft, und sie werde noch schlimmer, wenn die Infektionszahlen ansteigen und es zu einer Grippewelle im Herbst kommen werde. „Auch schon vor den Corona-Jahren konnten die Krankenhäuser wegen des Fachkräftemangels zehn bis 15 Prozent ihrer Betten nicht belegen. Jetzt aber ist der Durchschnittswert auf 14,3 Prozent geklettert – Tendenz weiter steigend. In Einzelfällen werden uns sogar Kapazitätsreduzierungen von über 30 Prozent gemeldet“, berichtete Scheffold. Die aktuellen Zahlen ergeben sich aus einer regelmäßig durchgeführten Umfrage bei den Geschäftsführungen der Mitglieder der Krankenhausgesellschaft, dem sogenannten BWKG-Indikator.

Nur 90 Prozent der Pflegekräfte können belegt werden

Die Krankenhausgesellschaft ist auch zuständig für Pflegeheime und Reha-Einrichtungen und auch von dort sind die Meldungen alarmierend. „Als Folge der Pandemie und wegen des Personalmangels können derzeit nur 90 Prozent der Pflegeplätze belegt werden, normalerweise ist die Belegung wesentlich höher und geht oft in Richtung 100 Prozent“. Weniger freie Heimplätze aber bedeuteten eine „enorme Belastung“ für die Betroffenen und ihre Familien, sagt Scheffold, der auch Landrat (parteilos) im Alb-Donau-Kreis ist. 93,4 Prozent der befragten Einrichtungen der Altenpflege berichteten von Problemen, freie Stellen zu besetzen. Das ist sogar noch etwas mehr als in den Krankenhäusern.

Zwei Drittel der Heime haben Schwierigkeiten, Pflegeschülerinnen und Pflegeschüler für eine Ausbildung zu gewinnen und 60 Prozent sagen dies auch über die Anwerbung von Pflegehilfskräften. „Das alles sind Höchststände, wie wir sie bei unserem seit 2010 durchgeführten Befragung noch nicht gehabt haben“, sagt Scheffold. Ähnlich ist das Bild bei den Reha-Kliniken, wo die Auslastung wegen der Corona-Pandemie bereits gesunken war von 88,3 Prozent in 2019 auf 68,3 Prozent im Jahr 2021. Der Aufholeffekt nach der Corona-Krise aber ist nur mäßig gewesen, die Belegung der Reha-Kliniken liegt derzeit bei nur 73 Prozent.

Hilfe durch geringere Quarantäne-Zeiten

Gegen den Fachkräftemangel fordert Scheffold von der Politik ein Bündel von Maßnahmen. „Kurzfristig könnte eine Verringerung der Quarantäne-Zeiten bei Corona uns eine Entlastung bringen“, meint Scheffold. Zur Zeit muss ein Klinikmitarbeiter im Covid-19-Infektionsfall mindestens für fünf Tage in häusliche Quarantäne, am sechsten Tag kann er wieder arbeiten, wenn er 48 Stunden lang symptomlos war und der Coronatest negativ ist. „Mittelfristig ist der Abbau von Bürokratie ein zentraler Punkt im Kampf gegen die Personalnot“, sagt Scheffold. Die Ärzteschaft und das Pflegepersonal müssten immer mehr Zeit mit Bürokratie und Dokumentation verbringen, die dann bei der Arbeit mit den Patienten fehle.

Einrichtungen sind unterfinanziert

„Außerdem müssen ausländische Pflegekräfte schneller anerkannt werden“, so der BWKG-Chef. Auch sollte die einrichtungsbezogene Impfpflicht ausgesetzt werden, denn sie werde im Gesundheitsbereich als ungerecht empfunden. „Diese Pflicht war ja immer im Kontext einer allgemeinen Impfpflicht gesehen worden“, so Scheffold. Letztere sei aber nie gekommen.

Auch die steigenden Kosten machen Kliniken und Heimen laut aktuellen BWKG-Indikator schwer zu schaffen. Krankenhäuser und Reha-Kliniken sind laut Scheffold nicht auf die unerwartet hohe Inflation ausgerichtet. Die Einrichtungen seien unterfinanziert. Außerdem können Kliniken die Kosten nicht weitergeben, da es staatlich festgelegte Preise für ihre Leistungen gibt, wie Hauptgeschäftsführer Matthias Einwag betonte. 61,1 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Krankenhäuser gaben an, dass sie in diesem Jahr rote Zahlen erwarten. Die Gesellschaft dringt daher auf einen Inflationsausgleich durch den Bund. „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnt unablässig vor einem schwierigen Corona-Winter. Die logischen Konsequenzen aber will er nicht ziehen“, meint Heiner Scheffold. Die Corona-Schutzschirme müssten schnell wieder aufgespannt werden und die unerwarteten Preissteigerungen müssten ausgeglichen werden.