Günther Oettinger (Mitte) nahm bei Karins Presseecke am Samstag kein Blatt vor den Mund. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der ehemalige EU-Kommissar Günther Oettinger übt beim Talk-Treff mit Bürgerinnen und Bürgern in Karins Presseecke harsche Kritik an Stuttgart.

Oh je, wie peinlich. „Grüß Gott, Herr Nopper“, begrüßt ein Kios-Nachbar den prominenten Gast am Samstagvormittag in Karins Presseecke. Der nimmt es zum Glück nicht übel und stellt trocken richtig: „Ich bin Günther Oettinger, der Herr Nopper ist auf dem Frühlingsfest.“

Zum zweiten Mal folgt der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg und ehemalige EU-Kommissar für Energie, Digitales und Haushalt der Einladung von Karin John-Schünemann und Rainer Schünemann in ihren Gablenberger Zeitungskiosk zum Talk-Treff mit Bürgerinnen und Bürgern. Am Frauenkopf groß geworden, kennt er sich in Gablenberg bestens aus und kauft heute noch manchmal hier ein.

Messe endlich international angebunden

Die Gastgeber überreichen ein Foto vom ersten Besuch im April 2015 als Geschenk. Die beiden Zeitungen, die Oettinger braucht, lässt er sich nicht schenken und zahlt 7,90 Euro mit Karte. Abschied vom Bargeld? Nein, der 69-Jährige, der sich 2019 von der Politik verabschiedet hat und in die Privatwirtschaft zurückkehrte, fingert Scheine aus der Jackett-Tasche.

OB Frank Nopper hätte vielleicht dabei sein und seinem Parteifreund gut zuhören sollen. Denn als Elisabeth S. ihre Vorbehalte zu Stuttgart 21 ins Gespräch bringt, kommt Günther Oettinger richtig in Fahrt und Stuttgart dabei nicht richtig gut weg: „Es wird großartig!“ Der Flughafen, bisher ein reiner Urlaubsflughafen, von dem man höchstens nach Mallorca komme und der sich nicht mit München messen könne, bekomme einen richtigen ICE-Bahnhof und die Messe sei endlich international angebunden: „Alles genial!“

Vereinigten Staaten von Europa

Denn bisher, urteilt Oettinger, bekanntlich ein Mann klarer Worte, zeige die Stadt zu wenig Dynamik: „Sie ist verschlafen, träge und satt“, kritisiert er gnadenlos. Das müsse sich ändern und Stuttgart endlich in „einer Liga mit München oder Hamburg spielen, denn Wohlstand ist nicht durch Stillstand, sondern nur durch Dynamik zu erreichen“. Als Elisabeth S. noch vieles mehr wie auch die fortlaufende Versiegelung der Böden und Felder beklagt, kommt der Schwabe in Oettinger vollends durch: „Mädle, ein bissle positiv denken.“

Als Vorsitzender von United Europe, dem gemeinnützigen Verein, der pro-europäisches Bewusstsein, entsprechende Handlungsweisen und die Verständigung unter den Völkern fördern will, ist Oettinger die erste Adresse für die Frage nach der Entwicklung von Europa. „Europa ist erst halbfertig“, heißt seine pointierte Antwort. Er träume von einem europäischen Außenminister. Damit nicht wie derzeit einer (und eine) nach dem anderem in China vorstellig werden müsse. Aber er glaube an eine Armee von Europa und sei sicher, dass die Vereinigten Staaten von Europa irgendwann Wirklichkeit werden würden.

Dann steht ein Besuch bei Parteifreund Fritz Currle im Weinberghäusle in Uhlbach an, später schlägt er beim Porsche Tennis Grand Prix auf. Das Frühlingsfest und ein Plausch mit Frank Nopper sind nicht vorgesehen.