Auf der Stadtansicht von 1700 ist das markante weiße Gebäude links neben dem Königsturm gut zu erkennen. Der Staffelgiebel ist allerdings nicht mehr vorhanden. Foto: Schüle

Robert Dinser hat eigentlich nur ein altes Gebäude vor dem Verfall bewahren wollen. Geborgen hat der Gmünder er einen architekturhistorisch bedeutsamen Schatz: ein auch als Synagoge genutztes Bürgerhaus aus dem Mittelalter.

Schwäbisch Gmünd - Robert Dinser hat ein Herz für Häuser. Das alte, auffallend hohe Gebäude neben dem Gmünder Königsturm hat er schon lange im Blick gehabt: Die meterdicken Wände und der erhabene Platz mit Blick über die Stadt haben es ihm angetan. Zehn Jahre schon standen die drei Wohnungen in der Imhofstraße 9 leer, als der Geschäftsmann erfuhr, dass das Haus zum Verkauf steht. „Das darf nicht in falsche Hände geraten“, sagte sich der 66-Jährige. Mit seinem Kauf hat er aber mehr getan als ein paar alte Mauern gesichert.

Denn das markante Haus wurde im Mittelalter von den Gmünder Juden als Synagoge, als Versammlungsstätte und als Unterkunft für einen Rabbiner, einen Kantor oder einen Synagogendiener genutzt. Dass es solche Gemeindehäuser in kleineren jüdischen Gemeinden gab, sei bekannt, sagt Simon Paulus vom Institut für Architekturgeschichte an der Universität Stuttgart. Ein vom Dachboden bis zum Keller erhaltenes Haus aus dieser Zeit aber „ist europaweit einzigartig“, erklärt der Forscher, der über die Architektur von Synagogen im Mittelalter promoviert hat.

Es gibt viele Hinweise auf eine sakrale Nutzung

Am Gmünder Beispiel lasse sich nun erkunden, wie kleinere jüdische Gemeinden ohne Gemeindestatus in Reichsstädten bestehende Gebäude für ihre Zwecke adaptiert und genutzt haben. Ablesen lässt sich an dem markanten Bau an exponierter Stelle auch, dass man ein durchaus repräsentatives Auftreten auch duldete, jedenfalls in Zeiten, in denen man auf die Juden als Geldgeber angewiesen war.

Mehrere Indizien deuten auf eine ehemals sakrale Nutzung hin. So steht das Haus an einem der höchsten Punkte der Stadt. Weil die Decken frei tragend sind, gab es – vor dem Umbau zum Wohnhaus im 19. Jahrhundert – gleich zwei große, repräsentative Säle im Haus: Platz für einen Gebets- und einen Versammlungsraum also. Auffällig ist außerdem der heute zugemauerte alte Eingang. Dieser führte nicht ebenerdig in das Haus, was möglich gewesen wäre. Die Besucher mussten erst einige Stufen auf- und wieder absteigen – so wie es in Synagogen üblich ist. Auch die Kratzspuren links vom Eingang sind vor allem an kirchlichen Gebäuden zu finden. Schließlich gibt es im Osten eine Nische, in der der Thoraschrein aufbewahrt worden sein könnte.

Entdeckt hat Dinser die geschichtsträchtige Bausubstanz eher zufällig. Er wollte das marode Haus mit den drei Wohnungen behutsam sanieren – so wie er es schon an mehreren Stellen in der Stadt getan hatte. Die alten Kamine wollte er eigentlich als Leitungskanäle nutzen, aber der Schornsteinfeger winkte ab: Das werde nichts. Also begann er, die Abluftrohre zu entfernen – und entdeckte dabei, dass unter der Decke aus dem 19. Jahrhundert eine weitere, weitaus ältere verborgen war.

Es grenzt an ein Wunder, dass das Haus noch steht

Robert Dinser ließ das 23 Meter hohe Gebäude dendrochronologisch untersuchen. Das Ergebnis: Die Balken im Erdgeschoss und im ersten Stock stammten von 1369. Der Dachstock ist noch älter, die Holzstützen dort stammen aus dem Jahr 1288. Dabei wurde auch offenbar, wie groß der Sanierungsbedarf ist. Das Haus hielt von Luft und Liebe zusammen, dass es noch steht, grenzt an ein Wunder. Auf 2,5 Millionen Euro schätzt Dinser den Sanierungsbedarf. Die ersten Förderanträge bei verschiedenen Denkmalschutzprogrammen sind bereits gestellt. Der 66-Jährige hofft, damit 40 Prozent der Umbaukosten abdecken zu können. Wo das restliche Geld herkommen soll, ist noch offen.

Für den Kauf, die Freilegung und die Sicherung des wackligen Gebäudes hat der Geschäftsmann bereits 300 000 Euro aufgebracht. „Das wird zur größten Aufgabe meines Lebens“, sagt Robert Dinser. Am Ergebnis sollen schon bis 2019 alle Gmünder teilhaben können. Das Haus soll eine Stätte für interkulturellen und interreligiösen Austausch werden.

Der Zeitplan ist sportlich, passt aber zu den Plänen der Stadtverwaltung. Denn Schwäbisch Gmünd beteiligt sich an der Remstal-Gartenschau 2019. Dann soll vollendet werden, was man bis zur Landesgartenschau 2014 nicht mehr rechtzeitig geschafft hat. Auch der knapp 40 Meter hohe Königsturm aus dem frühen 15.Jahrhundert, neben dem das jüdische Gemeindehaus liegt, soll bis dahin wieder aufgewertet werden. Heute wird der einstige Wachposten mit Gefängnis im Untergeschoss von Autos umkurvt. In drei Jahren soll man sich davor wieder aufhalten können.