Nach dem Korruptionsskandal beginnen die Abgeordneten mit den politischen Aufräumarbeiten – unter anderem mit der Wahl von Marc Angel zum Vizepräsidenten. Aber nicht alle halten Reformen für notwendig.
Am Ende ging alles schnell. Das Europaparlament wählte in Straßburg den Sozialdemokraten Marc Angel zum neuen Vizepräsidenten. Der Luxemburger setzte sich am Mittwoch im zweiten Wahlgang mit 307 Stimmen durch. Im ersten Durchgang hatte er die notwendige absolute Mehrheit noch verfehlt. Die Abstimmung war notwendig geworden, weil die Griechin Eva Kaili infolge eines aufsehenerregenden Korruptionsskandals zurücktreten musste.
Zur Wahl standen auch die französische Grünen-Politikerin Gwendoline Delbos-Corfield und Annalisa Tardino aus Italien von der rechtsnationalen ID-Fraktion. Tardino konnte 185 Stimmen auf sich vereinen, Delbos-Corfield bekam knapp 100 Stimmen. Über die hohe Zahl von Stimmen für die extreme Rechte Tardino empörte sich der grüne Abgeordnete Daniel Freund. Die „rechtsaußen ID-Fraktion hat nur 64 Mitglieder“, schrieb er auf Twitter. „Das ist schockierend.“ Allerdings spielt in diesem Fall wohl auch ein gewisses Maß an Frustration über das Abschneiden der eigenen Kandidatin mit, denn die Grünen beanspruchten im Vorfeld den Posten der Vize-Präsidentin für sich.
Die Fraktion der Sozialdemokraten, zu der auch die geschasste Kaili gehörte, zeigte sich nach der Wahl sichtlich erleichtert. Der 59-jährige Angel „steht für Transparenz und aktive Korruptionsbekämpfung“, unterstrich Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten in Straßburg. „Marc Angel hat angekündigt, den notwendigen Reformprozess im Parlament und in der EU mit anzuführen,“ sagte Geier und versuchte seine Fraktion S&D etwas aus dem Scheinwerferlicht der Korruptionsaffäre zu nehmen. Der Grund: alle Beschuldigten kommen aus dem sozialdemokratischen Lager.
Hauptbeschuldigter will auspacken
Neben der griechischen Politikerin wird drei weiteren Verdächtigen Geldwäsche und Korruption vorgeworfen. Kaili und ihr Lebensgefährte Francesco Giorgi sitzen neben dem Ex-Europaabgeordneten Pier Antonio Panzeri sowie einem weiteren Verdächtigen in Untersuchungshaft.
Während sich die Parlamentarier in Straßburg an die ersten politischen Aufräumarbeiten nach dem Korruptionsskandal machten, kam aus Brüssel die Nachricht, dass Pier Antonio Panzeri sich bereit erklärt hat, mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten und umfangreiche Aussagen zu machen. Panzeri habe eine Vereinbarung unterzeichnet, die vorsieht, dass er über „finanzielle Vereinbarungen mit Drittländern“, beteiligte Personen und weitere Aspekte aussagt, teilte die belgische Staatsanwaltschaft mit. Im Gegenzug wird Panzeris Strafe reduziert.
CSU sieht keinen großen Reform-Bedarf
Das EU-Parlament selbst hatte sich kurz nach Bekanntwerden der Bestechungsvorwürfe für Reformen ausgesprochen. Parlamentspräsidentin Metsola versprach wirkungsvolle Gegenmaßnahmen, nachdem sie in der vergangenen Woche erste Pläne für strengere Transparenzregeln vorgelegt hatte. Im Parlament wird nun über das weitere Vorgehen diskutiert.
Wenig Bedarf für mehr Transparenzregeln sieht allerdings die CSU-Europapolitikerin Angelika Niebler. Sie kenne kein Parlament, das so transparent sei wie das Europäische Parlament, sagte die Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament in Straßburg. Deshalb gebe es da „keinen so großen Nachholbedarf“. Neue Regeln hätten den Skandal nicht verhindert.