Eine Mehrheit für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels wird wohl wieder verfehlt. Dann muss die EU-Kommission entscheiden.
Brüssel - Eine Mehrheit für die Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat ist nicht in Sicht, wenn diesen Montag in Brüssel die Mitgliedsländer im ständigen Ausschuss zusammen kommen. Die Kommission schlägt als Kompromiss vor, dass der Wirkstoff EU-weit zunächst eine Zulassung für weitere 18 Monate bekommt. Dafür müssten 16 Mitgliedsländer mit Ja stimmen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung auf sich vereinigen. Dass diese „qualifizierte Mehrheit“ erreicht wird, gilt indes als sehr unwahrscheinlich. Es sind zwar 19 von 28 EU-Ländern dafür, sie bringen aber nicht genügend Bevölkerung in die Waagschale. Frankreich hat sich auf ein „Nein“ festgelegt, und die bevölkerungsstarken Länder Italien und Deutschland werden auch nicht zustimmen. Deutschland könnte den Ausschlag geben. Doch da Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ihr Veto eingelegt hat, wird mit einer Enthaltung gerechnet.
Wenn keine Mehrheit zustande kommt, tritt in zwei Wochen der Berufungsausschuss zusammen. Wenn auch hier, was absehbar ist, das Patt nicht aufgelöst wird, ist die EU-Kommission an der Reihe. Sie kann dann im Alleingang die Zulassung für Glyphosat um 18 Monate verlängern. Die 18-Monatsfrist wurde gewählt, weil inzwischen bei der EU-Chemikalienbehörde ein weiteres Verfahren angelaufen ist, das die Gefahren von Glyphosat abschätzen soll. Die EU-Lebensmittelbehörde (Efsa) war bereits zu der Einschätzung gekommen, dass der Wirkstoff bei vorschriftsmäßigem Einsatz gesundheitlich unbedenklich ist.
Gegner halten den Pflanzenschutzwirkstoff für krebserregend
Zunächst war eine Zulassung für 15 Jahre im Gespräch. Inzwischen ist aber die Kritik an Glyphosat immer lauter geworden: Gegner halten den Pflanzenschutzwirkstoff für krebserregend. Das EU-Parlament hatte dann im Mai gefordert, Glyphosat für sieben Jahre zuzulassen und den Einsatz auf Spielplätzen, in Parks und unmittelbar vor der Ernte zu verbieten.
Wie wahrscheinlich ist, dass die Kommission im Alleingang die Zulassung verlängert? Beobachter verweisen auf die juristische Lage. Verweigere die EU die Zulassung, laufe sie in Gefahr, von den Herstellern von Glyphosat vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt zu werden. Die Chancen der Industrie werden dabei als gut eingeschätzt, weil die EU-Lebensmittelbehörde ja bereits grünes Licht gegeben hat. An dieser Stelle kommt ins Spiel, mit wem sich die EU da anlegen würde. Der mächtige US-Konzern Monsanto produziert Glyphosat. In Brüssel hört man: „Es ist unwahrscheinlich, dass die EU einem Spieler mit einer derartigen Wirtschaftskraft Knüppel zwischen die Beine wirft.“
Monsanto: Kräftige Lobbyarbeit in Brüssel
Die wirtschaftlichen Dimensionen einer Verweigerung sind groß. „Dagegen sind Werbeverbote für die Tabakindustrie harmlos“, heißt es und Monsanto würde in Brüssel in großem Stil lobbyieren. Abgeordnete bestreiten dies aber. Ein konservativer Parlamentarier, sagte unserer Zeitung: „Ich habe in der Sache seitens der Industrie lediglich eine Anfrage bekommen.“ Obwohl er bereit gewesen wäre, sei es aber nicht zum Treffen gekommen, weil der Lobbyist den Termin abgesagt habe. Unklar ist, ob ein Bann der EU für Glyphosat auch weitreichende Folgen für den Import von Lebens- und Futtermitteln hätte. Einige Experten meinen, dass dann auch keine Lebens- und Futtermittel mehr importiert werden dürften, die Glyphosat-Rückstände enthalten. In der Landwirtschaft Lateinamerikas und Nordamerikas ist das Mittel besonders beliebt. Futtermittel, die in großen Mengen bei uns importiert werden, dürften daher hohe Rückstände von Glyphosat enthalten.