Vertretungskräfte, die kranke Lehrer zeitweise ersetzen müssen, haben häufig nur einen befristeten Vertrag. Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg stockt den Etat für Vertretungslehrer massiv auf. Die Bezahlung der Betroffenen wird besser, die Unterrichtsversorgung allerdings nicht.

Eine der größten Veränderungen im Etat des Kultusministeriums, die die Koalitionsfraktionen in den Haushaltsberatungen durchgesetzt haben, ist die Aufstockung der Mittel für Vertretungslehrkräfte. Sie steigen von 63,5 auf 78,4 Millionen Euro jährlich. Mit diesem Plus von 23 Prozent will die Koalition die Praxis beenden, dass Lehrer mit einer befristeten Anstellung während der Sommerferien in die Arbeitslosigkeit wechseln. Im laufenden Jahr waren das laut den jüngsten Angaben der Bundesagentur für Arbeit 1630 Betroffene; insgesamt waren im Südwesten im Lauf des vorigen Schuljahrs 2260 Lehrer zeitweise arbeitslos.

 

Neue Regel gilt ab Januar

Mit den zusätzlichen Mitteln von fast 15 Millionen Euro will Grün-Schwarz künftig einen Großteil der Betroffenen in den Ferienwochen durchbezahlen, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Die neuen Regeln sollen am 1. Januar in Kraft treten. Dann sollen Lehrkräfte mit Fristvertrag, die bis zum Stichtag am 31. Dezember eingestellt wurden und nach den Sommerferien erneut eine befristete Stelle erhalten, auch in der Sommerpause bezahlt werden.

„Das löst kein Bildungsproblem“

Die Unterrichtsversorgung im Land wird damit nicht besser. Zusätzliche Vertretungslehrer für krankheits- oder schwangerschaftsbedingt ausfallenden Unterricht werden so nicht finanziert. Matthias Mattig-Gerlach, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart, hat deshalb jüngst gegen das Vorhaben, das an diesem Donnerstag im Landtag beschlossen wird, gewettert. „Lösen wir mit der Durchbezahlung der Lehrkräfte irgendein Problem?“, fragte er. „Keines. Bildungspolitik bleibt für diese Koalition ganz unten auf der Prioritätenliste.“

Dagegen sieht der Fraktionschef der Grünen, Andreas Schwarz, die Bezahlung der Vertretungslehrer im Sommer als wichtiges Zeichen der Wertschätzung gegenüber dem Lehrerberuf. Die alljährliche Kritik, dass Baden-Württemberg bundesweit am meisten Lehrkräfte während der Sommerferien entlasse, schrecke den Nachwuchs ab.

Seit Jahren belegt der Südwesten in der Statistik über die Sommerarbeitslosigkeit bei Lehrern den ersten Platz. Tatsächlich aber sind die Berufschancen für Lehrkräfte trotz der Unterbrechung der Bezahlung in der Sommerpause in mancher Hinsicht besser als im Bundesschnitt: Die Arbeitslosenquote unter den angestellten Lehrkräften ist, wie aus dem aktuellen Bericht der Arbeitsagentur hervorgeht, im Südwesten insgesamt mit 0,6 Prozent deutschlandweit am zweitniedrigsten (nach Bayern mit 0,5 Prozent). Und während bundesweit lediglich zwei Drittel der Lehrkräfte verbeamtet sind, sind es in Baden-Württemberg laut Kultusministerium neunzig Prozent. Nur rund drei Prozent sind, so das Haus von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne), überhaupt befristet als Angestellte beschäftigt, weil sie formale Anforderungen an die Verbeamtung nicht erfüllen. Diese Gruppe speist die Schulverwaltung oft mit aufeinanderfolgenden Fristverträgen ab, die bisher am 1. Schultag begannen und mit dem letzten Schultag vor den Ferien endeten.

Bayern ist nicht so spendabel

Verglichen mit Bayern ist der 31. Dezember als Stichtag für die Durchbezahlung großzügig: Dort liegt der Stichtag für 2022 am 12. Oktober. Wer später dazustoße, erhalte lediglich den anteiligen tariflichen Urlaub. Alles andere, so die Auskunft des Münchener Kultusministeriums, sei eine „unangemessene Bevorzugung von kurzzeitig beschäftigten Lehrkräften“.

Hintergrund

Fristverträge
An der Praxis der Kettenfristverträge ändert sich mit der Durchbezahlung während der Sommerferien nichts. Seit 2020 können im Südwesten Menschen auch ohne Lehramtsstudium und Referendariat dauerhaft im Schuldienst beschäftigt werden, wenn auf lange Sicht mit Lehrermangel zu rechnen ist . Wer mindestens dreißig Monate unterrichtet und gute Beurteilungen von seiner Schule und von der Schulverwaltung erhalten hat, kann unbefristet angestellt werden; bis 2021 galt noch eine Bewährungsfrist von 36 Monaten.

Zahlen
Laut Kultusministerium sind auf dieser Grundlage zum laufenden Schuljahr 173 befristet angestellte Lehrer dauerhaft angestellt worden; im Vorjahr wurden 116 Verträge entfristet, 2020 waren es 81. Auch im kommenden Schuljahr würden derartige Entfristungen erwartet, so das Ministerium.