Erziehung und Sozialisation des Hundes sind wichtig: Tierpflegerin Lina Entenmann vom Tierheim Esslingen mit dem American-Staffordshire-Terrier-Mischling Ella. Foto: /ulgrin

American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier und Bullterrier gelten in Baden-Württemberg offiziell als Kampfhunde. Ihre Zahl nimmt zu – in privater Haltung ebenso wie in Tierheimen. Wie Experten den Trend erklären – und für wie gefährlich sie die Tiere tatsächlich halten.

Auch sie haben ihn, diesen treuen Hundeblick. Doch ungeachtet ihrer großen Knopfaugen gelten die Rassen American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier und Bullterrier in Baden-Württemberg als „Kampfhunde“. Ihr Ruf ist hierzulande schlecht, Tierheime in der Region vermelden eine zunehmende Zahl an Fund- und Abgabetieren.

 

In anderen Ländern tragen die genannten Rassen teils den Spitznamen „Nanny Dogs“, sie gelten also als besonders kinderfreundlich. In Baden-Württemberg aber, berichtet Martin Pechmann vom Tierschutzverein Stuttgart und Umgebung, werden sie seit Einführung der Verordnung 2001 als Kampfhunde oder als Listenhunde bezeichnet, da sie in einer Rasseliste als gefährlich aufgeführt sind. Seither sei die Anzahl in Tierheimen und privater Haltung stark angestiegen.

Beliebte „Nanny Dogs“

Vor dem Erlass der Verordnung habe das Tierheim Stuttgart nur vier Hunde dieser Rassen im dauerhaften Bestand gehabt: „Innerhalb weniger Jahre wuchs die Zahl aber auf knapp 40 bis 50 Hunde an.“ Derzeit sei er als hauptamtlicher Sachverständiger für etwa 70 Listenhunde zuständig, sagt Pechmann: „Knapp die Hälfte davon befindet sich im Tierheim, der Rest in Pflegestellen oder bei Interessenten im Vermittlungsprozess“.

Im Tierheim Esslingen werden derzeit laut dem Leiter Horst Theilinger zehn Kampfhunde betreut. Ihre Zahl sei in den vergangenen Jahren gestiegen, sagt auch er. Als Gründe dafür nennt er hohe Auflagen bei der Haltung, die erhöhten Hundesteuern, Überforderung der Besitzer, die Tierarztkosten sowie Probleme bei der Wohnungssuche: „Manche Hunde werden auch vom Ordnungsamt eingezogen, da der Halter den Auflagen nicht nachkommt.“

Keine gefährlichen Rassen?

Sind die Auflagen gerechtfertigt? „Listenhunde gibt es von ganz unkompliziert, familientauglich, freundlich bis hin zu sehr problematisch und gefährlich“, sagt Pechmann. Nach aktuellem Forschungsstand gebe es keine gefährlichen Hunderassen und keine rassebedingte genetische Anfälligkeit für Gefährlichkeit. Mitbestimmend für das Verhalten eines Hundes seien seine Sozialisierung im Welpenalter, die Erziehung, individuelle Charaktereigenschaften sowie Faktoren wie Jagd- und Triebverhalten oder Haltungsform. Natürlich gebe es Hunderassen, die mehr oder weniger anspruchsvoll seien hinsichtlich der Voraussetzungen in der Haltung und der Erfahrung des Besitzers. „Hunderassen wie American Staffordshire Terrier, American Pitbullterrier und Standard Bullterrier bewegen sich nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung hier eher im Mittelfeld“, sagt Pechmann.

Viele Herdenschutzhunde und Molosser-Rassen stellten sich oftmals als wesentlich schwieriger in der alltäglichen Haltung dar. Ausnahmen gebe es aber auch hier. Sandra Nebe vom Tierschutzverein Kirchheim nimmt Kampfhunde ebenfalls in Schutz. Sie seien nur wegen der Auflagen schwierig zu halten: „Aber Problemhunde gibt es bei allen Rassen und in allen Größen.“

Das Problem sieht Horst Theilinger nicht beim Hund, sondern meist beim Menschen: „Wenn diese Tiere in sachkundige und vernünftige Hände kommen, sind es tolle Familienhunde.“ Der Besuch einer Hundeschule und eine konsequente Erziehung seien, wie bei allen anderen Rassen, für das Zusammenleben sinnvoll. Die Fehler machten die Menschen – auch bei der Zuchtauswahl, gibt ihm Martin Pechmann recht: „Anstelle einer gut organisierten regulären Zucht hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein riesiger Schwarzmarkt entwickelt.“ Um die bestehenden Vorschriften zur Haltung von Kampfhunden zu umgehen, würden teilweise absichtlich Kreuzungen mit anderen Hunderassen betrieben: „Es wird um die Gesetze herumgezüchtet.“ Neu entstandene Hybrid-Rassen wie der American Bully würden teilweise trotz dieser Bemühungen unter die Verordnung fallen: „Und sie stellen sich oftmals als wesentlich anspruchsvoller dar als die ursprünglichen besagten drei Rassen“.

Die Vermittlung von Kampfhunden ist nicht einfach. Halter, sagt Horst Theilinger, müssen ein berechtigtes Interesse, Zuverlässigkeit und Sachkunde nachweisen können. Dazu gehöre auch, dass der Hund ordnungsgemäß angemeldet und etwa mit einem Chip gekennzeichnet ist. Das Tier müsse einen Wesenstest zu Charakter- und Verhaltenseigenschaften absolvieren, der in der Regel von der Polizeihundestaffel und dem Veterinäramt abgenommen werde.

Kampfhunde erforderten in der Vermittlung höheren Aufwand, bestätigt Pechmann. Das Tierheim Stuttgart betreue Interessenten intensiv. Vermittelt werde zudem auch überregional, falls erlaubt in andere Bundesländer und in Einzelfällen sogar bis ins EU-Ausland: „Dadurch haben wir viele ,treue Kunden’, die auch Jahre später selbst über große Strecken zu uns kommen, um ihren nächsten Hund von uns zu übernehmen.“

Ratschläge für den Kauf und die Haltung von Kampfhunden

Vorarbeit
Der Tiersachverständige Martin Pechmann rät vom Hundekauf aus unseriösen Quellen ab. Ersthalter sollten sich vor der Anschaffung gut, auch in Hinblick auf die jeweilige Lebenssituation, beraten lassen. Vorab solle abgeklärt werden, ob der Kampfhund bereits eine Verhaltensprüfung abgelegt hat oder ob die örtlichen Behörden eine Prüfung anbieten und den Hund bis dahin tolerieren. Informieren sollten sich Halter auch über eine mögliche erhöhte Hundesteuer, Vorgaben des Vermieters sowie Reise- oder Wohnortbeschränkungen.

Haltung
Bei Welpen sollte laut Martin Pechmann auf eine gute Sozialisierung und Erziehung geachtet werden. Der Besuch einer Hundeschule werde empfohlen. Vorgeschriebene Maulkorb- und Leinenpflichten seien einzuhalten. Eine gute Maulkorbgewöhnung sei zudem auch nach einer Verhaltensprüfung in öffentlichen Verkehrsmitteln und im Reiseverkehr von Vorteil.