Robert Bärwald machte auch die Nachkommen Christian Finks ausfindig. Foto: Horst Rudel

Wie der Pianist und Musikpädagoge Robert Bärwald den Komponisten Christian Fink wiederentdeckte, den bedeutendsten Tonkünstler, der je in der Stadt gelebt hat. Und wie daraus eine ein CD wurde, die aufhorchen lässt.

Esslingen - Das ist Frage, die sich irgendwann jeder Künstler stellen muss: Ob die Chance seines Lebens nicht auch die Tragik seines Lebens ist.“ Robert Bärwald, Pianist und Wiederentdecker von Christian Fink (1831 – 1911), dem bedeutendsten Komponisten Esslingens, widmet sein Leben zur Zeit fast ausschließlich Christian Fink. Jüngst hat er mit der Sopranistin Christine Reber eine CD aufgenommen, die mit einer Hingabe gespielt ist, die aufhorchen lässt – ganz großes Kino.

Fink und Bärwald haben beide ihre Chancen ergriffen: Fink wurde musikalischer Ausbilder im Esslinger Lehrerseminar, Bärwald wurde Ausbilder an der Esslinger Musikschule. Das war die Chance. Und die Tragik? Beide hätten sich als freie Pianisten weiter entwickeln können. Christian Fink hatte sogar ein Konzert-Angebot aus London, aber der württembergische König, so kolportiert es die Familiengeschichte, habe ihn nicht ziehen lassen.

Der 43-jährige Esslinger Pianist Robert Bärwald ist über ein Projekt des Esslinger Stadtarchivs auf den Namen Fink gestoßen, als es um die Geschichte des Esslinger Lehrerseminars ging. Der Chef des Stadtarchivs, Joachim Halbekann, versorgte Robert Bärwald mit Informationen und vor allem mit Notenmaterial, das das Stadtarchiv getreulich überliefert hat.

Bärwald lernte den musikalischen Wert der Arbeiten Finks kennen und forschte weiter nach. Er entdeckte in Pfullendorf und Aichwald Nachkommen des Komponisten. Er sammelte Erinnerungen und Geschichten über Fink. Bereitwillig öffneten die Erben ihre Archive, und es kam weiteres Notenmaterial dazu. Was für Bärwald die sicherlich wichtigste Entdeckung war, manche Partituren trugen einen Fingersatz, den Christian Fink mit eigener Hand geschrieben hat.

Einzigartiges Material

Mit dem einzigartigen Material konnte Bärwald in den Jahren 2016 und 2017 zum ersten Mal größere Konzerte bestreiten. Der Erfolg in Esslingen war riesig. Es schien, als habe das Musikleben der Stadt auf die Wiederentdeckung Finks gewartet. Gestärkt durch den Erfolg, beschloss Robert Bärwald, eine CD zu produzieren. Er wandte sich an die Hans-Weiler-Zukunftsstiftung, die auf vielen musischen Gebieten der Stadt Esslingen hilft. Er schaffte es, das Kuratorium von seinem CD-Projekt zu überzeugen, und dann suchte er Partner.

„Im Gesang geht es um Prosodie und Rhythmus“, sagt Bärwald. Rhythmus ist der Fluss der Sprache und der Melodie, die Prosodie bezeichnet die Akzente, die Silbenlänge und den sprachlichen Wohlklang. Während viele klassische Komponisten Liedtexte geradezu lustvoll dekonstruieren und beinahe jedem Wort einen eigenen Klang oder Rhythmus unterlegen, stimmen bei Christian Fink das Versmaß des Textes und der Takt der Melodie überein. Nach langer Suche fand Bärwald die Sopranistin Christine Reber, die Finks Texte kongenial interpretierte.

Drei Tage lang mietete das Duo den Konzertsaal der Stuttgarter Musikhochschule und spielte die CD ein. Anschließend prüften sie die Aufnahmen kritisch, tatsächlich waren zwei Takte nicht gut genug geworden. Also nahm Bärwald 800 Euro in die Hand, mietete noch einmal den Konzertsaal und spielte auch diese Töne ein. Herausgekommen sind 1000 CDs, von denen bereits 200 verkauft sind. Bärwald wusste, würde die Musik nicht perfekt sein, dann hätte die CD mit dem bis dato vergessenen Christian Fink keine Chance gehabt.

Robert Bärwald hat noch viel vor

„Sie können Rosen nicht mit Nelken, vergleichen“, sagt Bärwald. Die Klaviersonaten Finks hätten einen eigenen Duktus, ließen sich nicht mit den bekannten Werken von Beethoven oder Schubert vergleichen. Fink hatte von seinem Leipziger Lehrer Moritz Hauptmann gelernt, seine Kompositionen dualistisch in Dur und Moll anzulegen, so dass sein kompositorisches Schaffen tief in den Wurzeln des deutschen philosophischen Idealismus ruht.

Wer die jetzt erschienene CD genauer studiert, dem wird auffallen, dass die Bezeichnung „Volume I“ auf dem Titel prangt. Denn Robert Bärwald hat noch viel vor. Das Oeuvre Finks würde für etwa vier CDs reichen, schätzt er. Nach wie vor schlummern Finks große Chorwerke in den Regalen der Archive. Sie aufzuführen bedeutete aber einen ungleich größeren Aufwand, allein schon wegen der viel größeren Anzahl der benötigten Musiker. Doch auch davon wird sich Robert Bärwald vermutlich nicht abschrecken lassen.