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Die Esslinger Kinder-Biennale möchte Jungs und Mädchen mit den Spielregeln und Möglichkeiten der Demokratie vertraut machen und sie ermutigen, ihre Interessen zu vertreten. Einige der Kids waren nun in Berlin, um Spitzenpolitiker zu interviewen.

Die Kids der Esslinger Kinder-Biennale gehen den Dingen gerne auf den Grund – ganz egal, ob sie als kleine Köche, Techniker, Stadtführer oder Künstler in die Welt der Erwachsenen schnuppern. Berührungsängste kennen sie nicht. So haben die Jungs und Mädchen schon viele interessante Zeitgenossen interviewt – prominente und weniger bekannte. Darunter waren Politiker wie Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, aber auch Minister und Abgeordnete. Politik ist ein großes Thema für die Kinder-Biennale, weil die Macherinnen und Macher um Margit Bäurle jungen Leuten vermitteln wollen, wie der Politikbetrieb tickt. Um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, besuchten Esslinger Kinder nun die Bundeshauptstadt.

 

Offene Türen eingerannt

Für die Kinder-Biennale war es nicht der erste Ausflug in die große Politik. Unvergessen ist vielen ein Besuch in der Bundeshauptstadt, wo die Jungs und Mädchen 2014 beim damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck auf Schloss Bellevue zu Gast waren, mit Polit-Promis auf Augenhöhe plauderten und Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum Interview baten. Juri Oskar Eigel war damals schon dabei – heute ist er 20 Jahre alt und studiert Politikwissenschaften in Wien. Mit Margit Bäurle hat er die Reise nach Berlin organisiert, unzählige Kontakte geknüpft und viele offene Türen eingerannt.

„Wir wollen Kindern unsere Demokratie näherbringen und ihnen zeigen, dass es sich auch schon in einem jungen Alter lohnt, die eigene Stimme zu erheben“, erklärt Juri Oskar Eigel. „Und wir wollen sie zum kritischen Denken und Nachfragen ermutigen. Diese Fahrt hat erneut gezeigt, dass auch die Jüngsten einiges zu den Themen unserer Zeit zu sagen haben, wenn man ihnen dafür einen Raum gibt.“ Als angehender Politikwissenschaftler ist Eigel überzeugt, dass der persönliche Kontakt mit Politikern wichtig ist, weil Kinder im Idealfall erleben könnten, dass ihren Anliegen Gehör geschenkt wird. Und er findet, dass Heranwachsende eine stärkere Lobby brauchen. Deshalb will er sich – auch nach den vielen positiven Erfahrungen, die die Kids in Berlin gesammelt haben – mit der Kinder-Biennale noch stärker für den Austausch zwischen Politikern und dem Nachwuchs einsetzen.

Der Minister öffnet Türen

Acht Kinder im Alter zwischen sieben und 13 Jahren waren dabei. In Berlin gab es Gespräche mit Politikerinnen und Politikern, die die Jungs und Mädchen bislang nur aus dem Fernsehen kannten: Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil, Familienministerin Lisa Paus, die Oppositionspolitiker Gregor Gysi, Silvia Breher und Jens Spahn sowie der Esslinger Bundestagsabgeordnete Markus Grübel. Dass einige Spitzenpolitiker keine Zeit für die Gäste aus Esslingen hatten, nahm Margit Bäurle gelassen: „Kulturministerin Claudia Roth hat uns leider abgesagt, aber sie ist uns zwischendurch immer mal wieder zufällig begegnet. Vielleicht klappt’s ja beim nächsten Mal.“

Die zwölfjährige Katharina Walljasper war vor allem „überrascht, wie viel Zeit sich die meisten Politiker für uns genommen haben“. Manche Gespräche dauerten eine ganze Stunde. Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil hinterließ bleibenden Eindruck, weil er die jungen Gäste höchstpersönlich am Eingang abholte und ihnen damit dieselbe Ehre erwies, die sonst nur den Wichtigsten der Wichtigen zuteil wird. Und die Politikerinnen und Politiker spürten im Gegenzug, dass sich die Biennale-Kids mit Margit Bäurle und Juri Oskar Eigel akribisch auf die Begegnungen vorbereitet hatten. Noah Dieterich, der Jüngste in der Gruppe, verblüffte Familienministerin Lisa Paus, die wissen wollte, ob er sich mit seinen sieben Jahren überhaupt schon für Politik interessiere. Die Antwort kam prompt: Er sei Klassensprecher in der Grundschule – das sei ja schließlich auch so etwas wie ein Politiker.

Keine Berührungsängste

Fragt man die Jungs und Mädchen nach ihren Eindrücken, spürt man, dass sie bei den Gesprächen genau hingehört haben. Sie haben sehr wohl registriert, dass manche Gastgeber die Fragen vorab lesen wollten, während andere ganz spontan auf alles geantwortet haben. Dass nicht bei allen Gesprächen Kameras erlaubt waren. Und dass man manchmal in der Politik viel reden und trotzdem wenig sagen kann. Als „ernst bis freundlich“ hat die zwölfjährige Suela Gashi die Atmosphäre empfunden: „Schön war, dass wir auch auf ganz persönliche Fragen Antworten bekommen haben.“ Dass die Kinder kein Blatt vor den Mund genommen haben, hat Betreuerin Christa Stocker besonders beeindruckt: „Dazu gehört in diesem Alter ganz viel Selbstbewusstsein.“

Bei den Jungs und Mädchen wird der Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebs gewiss lange nachklingen – und nicht nur bei ihnen. Denn der Landesfilmdienst hat die Biennale-Kids mit einem Kamerateam begleitet, das ARD-Hauptstadtstudio hat einige Politiker-Gespräch aufgezeichnet. Margit Bäurle und Juri Oskar Eigel fanden die Erfahrungen so motivierend, dass sie sich einig sind: „Das war bestimmt nicht unsere letzte Begegnung mit der großen Politik.“

Die Kinder-Biennale im Kurzporträt

Geschichte
 Die Kinder-Biennale wurde 2009 als Ideenschmiede und Kontakt-Börse gegründet, um Kreativ-Projekte für Kinder in Esslingen auf den Weg zu bringen und zu ermöglichen. Margit Bäurle , die als Projektleiterin die treibende Kraft hinter zahlreichen Angeboten und Initiativen ist, hatte die Kinder-Biennale zusammen mit Nicole Kreja auf den Weg gebracht. Inzwischen ist daraus ein gemeinnütziger Verein für kreative Kinder-Projekte in Esslingen geworden.

Netzwerk
Mit Unterstützung von Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Medien wurden und werden Veranstaltungsreihen, Projekte, Workshops und Ausstellungen für Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren organisiert. „Wir achten darauf, dass wirklich alle Kinder an unseren Aktivitäten teilnehmen können“, sagt Margit Bäurle.