Der Steg ist zu, Fußgänger müssen über die Vogelsang- oder die Pliensaubrücke. Foto: Rudel

Ein Stück Jacobsweg führt über den Alicensteg durch Esslingen. Doch der Steg ist gesperrt. Nun sucht die Stadt einen Ausweg vom Umweg.

Esslingen - Die allerwenigsten Esslinger dürften gemerkt haben, dass der Alicensteg seit dem Jahr 2015 geschlossen ist. Die Auswärtigen aber schon: Denn die Stadt hat mit der Sperrung der Wegverbindung vom Merkelpark über den Neckar und die B 10 nach Süden ihre einzige internationale Wegeverbindung gekappt.

Das ist der Jakobsweg, der über Esslingen nach Santiago de Compostela in Nordspanien führt. Doch auch die Albvereinsmitglieder dürften unzufrieden sein, denn ebenfalls der Hauptwanderweg Nummer fünf, der vom Schwarzwald ins Allgäu geht, ist hier unterbrochen. Zwar gibt es eine Umleitung direkt auf dem alten Radweg an der B 10, doch diese ist wegen des Verkehrslärms, der mit voller Wucht auf die Wanderer niederprasselt, nicht sehr ersprießlich.

Thomas Feiert vom Esslinger Tiefbauamt hat sich vor wenigen Tagen mit den Wandervereinen getroffen. Er stellt folgende Lösung in Aussicht. Der Weg zur Jugendfarm, der parallel läuft und ebenfalls gesperrt ist, soll wieder geöffnet werden. Denn auch dieser Weg in Richtung Berkheim war nicht mehr verkehrssicher: Die Böschung ist abgerutscht und mittlerweile liegt ein Baum quer. „An dieser Stelle können wir nicht mit schweren Maschinen arbeiten“, sagt Thomas Feiert, um die Schwierigkeiten zu erklären. Die eleganteste Lösung wäre es, den Weg in einen Wanderweg umzuwidmen, aber auch dieser Rechtsakt braucht seine Zeit.

Einst gingen hier die Arbeiter zur Textilfabrik

Dem Alicensteg jedoch hilft kein Rechtsakt mehr. Die wenigsten Esslinger dürften je über das stählerne Bauwerk gegangen sein, das vom Merkelpark nach Süden in den Wald führt.

Es ist auch nicht mehr der originale Steg, der 1891 von der Maschinenfabrik Esslingen entworfen, und danach vom Textilfabrikanten Oskar Merkel der Stadt geschenkt wurde. Die heutige Konstruktion dürfte gebaut worden sein, als der Neckar begradigt wurde. Auf dem alten Steg pilgerten die Arbeiter aus Berkheim zu Fuß den sogenannten Eisberg herab zu den Webstühlen der Fabrik. Merkel war nicht nur hier ein Gönner der Stadt, er hat auch später das Merkelsche Schwimmbad gestiftet, das noch heute in Betrieb ist. Oskar Merkel benannte den Steg nach seiner Tochter Alice. Vom originalen Bau ist wohl nur noch die Gedenkplakette erhalten.

Fluchtweg zum Luftschutzstollen

Wichtig war der Steg im Zweiten Weltkrieg, als im Eisberg zwei Luftschutzstollen angelegt wurden. So konnten die Arbeiter der Fabriken über den Steg in den sicheren Stollen flüchten.

Heute sind die beiden Luftschutzstollen mit Gittern und Betonwänden verschlossen. Jetzt, wo die Sträucher noch nicht ausgetrieben haben, sieht man die alten Eingänge von der B 10 aus, genauso wie den alten Zugang, der über eine Treppe von der Straße nach oben führt.

Von diesen Luftschutzstollen ging es einst aufwärts in Richtung Berkheim. Die Trasse des schmalen Weges ist noch zu erkennen, stellenweise ist auch noch das alte Sandsteinpflaster erhalten. Gelegentlich scheinen sich auch noch Leute hierher zu verirren, denn Müll liegt herum und Fußspuren sind erkennbar. Die zugewachsene Trasse führt zu einer Staffel, die in den 70er-Jahren gebaut wurde und an den Alicensteg anschloss. Es gab sogar Straßenlaternen dort, diese sind aber auch schon längst abgeschaltet.