Brigitte Haussler-Kimmerle informiert auf unterhaltsame Art. Foto: Horst Rudel

Eine neue Führung über den Esslinger Wochenmarkt betont augenzwinkernd die aphrodisierenden Kräfte einiger Gemüsesorten – zum Beispiel die Artischocke oder der Spargel.

Esslingen - Wer heute auf dem Wochenmarkt nach frischer Ware Ausschau hält, denkt in erster Linie an seine Gesundheit, vielleicht auch an eine leckere Gemüsepfanne, aber wohl eher nicht an seine Potenz. Im Mittelalter allerdings war das noch anders, wie die Teilnehmer der neuen Führung „Vielfalt und Frische mitten in der Altstadt“ über den Esslinger Wochenmarkt erfahren.

Die Stadtführerin Brigitte Haussler-Kimmerle steuert an diesem Mittwoch einen der vielen Marktstände an, die schon in den frühen Morgenstunden aufgebaut worden sind. Sie deutet auf einen Korb voller distelartiger Kulturpflanzen. „Artischocke – heute gibt es Viagra“, merkt Brigitte Haussler-Kimmerle an und holt aus ihrem reichhaltigen Aphorismen-Schatz gleich den passenden aphrodisierenden Spruch hervor: „Artischocke verführt zu ehelichem Werke.“

Wein wurde in rauen Mengen genossen

Die Gourmet-Karotten und die Salatgurken finden bei der Führung dann keine spezielle Erwähnung. Dafür aber der frisch gestochene Bruchsaler Spargel für 7,90 Euro das Kilo. „Spargel wurde auch als sehr erotisches Gemüse angesehen“, erklärt Brigitte Haussler-Kimmerle und bringt es grundsätzlich auf die Formel: „Alles was lang ist, ist gut für den Mann, und alles was rund ist, ist gut für die Frau.“

Bei dem Rundgang kommt die Rede selbstverständlich auch auf den Wein, der heute noch an den Hängen der Stadt angebaut wird. „Was ein richtiger Mann war, trank drei bis fünf Maß am Tag“, sagt Brigitte Haussler-Kimmerle. „Die waren dann immer gut drauf und gut durchblutet“, sagt die Führerin. Ein Maß entspricht 1,73 Litern. Dabei muss man allerdings auch wissen, dass der Wein damals nicht so viele Prozente hatte wie heute. Angesichts der hygienischen Bedingungen zogen die Menschen den Wein dem Wasser vor. „Wasser galt als höchst gefährliches Getränk“, so Brigitte Haussler-Kimmerle.

Beim ebenso vitalen wie amüsanten Streifzug durch die Geschichte wird deutlich, welch große Bedeutung der Esslinger Markt für die Stadtgeschichte hat. Der Wochenmarkt, der immer mittwochs und samstags stattfindet, geht zurück auf das 9. Jahrhundert. Damit ist er rechts des Rheins zusammen mit Trier einer der ältesten Märkte Deutschlands. Wie für jede Stadt, war das Marktrecht auch für den Stolz der freien Reichsstadt Esslingen eine wichtige Voraussetzung.

Der Marktplatz als Möglichkeit zur Eheanbahnung

Der Marktplatz war mehr als bloß ein Ort, an dem frische Waren ihren Besitzer wechselten. Auf Beschäftigung hoffende Männer boten dort ihre Arbeitskraft an, des Öfteren wurden im Herzen der Stadt zwischen Männlein und Weiblein zarte Bande geknüpft, was dann in Eheschließungen mündete.

Das rund anderthalbstündige Angebot der Esslinger Stadtmarketing und Tourismus (EST) „Vielfalt und Frische“ ist keine reine Theorie. An mehreren Ständen gibt es „Probiererle“: getrocknete Apfelchips aus dem Remstal, einen Beerenteller und mediterrane Antipasti. Zum Abschluss gibt es im Café Hibou einen verdauungsfördernden Espresso. Wer möchte, kann auf dem Markt noch einkaufen: fünf Artischocken und ein Kilo Spargel zum Beispiel.