Guido Buchwald (57) erzählt in einem Gastbeitrag, wie er 1990 in Italien als erster Spieler des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart Weltmeister wurde. Dem Franzosen Benjamin Pavard, der es ihm am Sonntag gleichtun kann, drückt er die Daumen.
Stuttgart - „Wenn ich an die Weltmeisterschaft 1990 in Italien zurückdenke, kommt mir spontan der Moment in den Sinn, als ich nach dem 1:0-Finalsieg gegen Argentinien den WM-Pokal das erste Mal in der Hand hatte. Das Ding in den Händen zu halten war die Belohnung für die sechs, sieben Wochen, die wir davor hart zusammen gearbeitet hatten. Es fühlte sich bombastisch an. Da ist man schon stolz, das schaffen ja nicht viele. Ich war damit Teil einer der vier Weltmeistermannschaften, die Deutschland mittlerweile hat.
Es war schon eine brutale Anspannung vor dem Finale, weil du weißt, dass Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt im Fernsehen zuschauen. Es ist das Spiel schlechthin und man selbst ist einer der 22 Athleten auf dem Platz. Man weiß, dass das ein absolutes Highlight ist, man bereitet sich noch mal intensiver vor, macht sich Gedanken über den Gegner und seine Gegenspieler, versucht tausendprozentig vorbereitet zu sein.
Die clevere Taktik gegen Diego Maradona
Gegen Diego Maradona zu spielen, war natürlich schon eine große Aufgabe. Ich habe versucht, die Passwege zuzumachen und ihn dort hinzubringen, wo ich ihn haben wollte – an der Außenlinie, da war er am ungefährlichsten. Man kann ja auch agieren, ohne dass man den Ball hat. Das habe ich getan. Das war unheimlich intensiv. Nach 20,25 Minuten habe ich gespürt, dass ich ihn im Griff habe, wenn ich so konzentriert weiterspiele. Er hat im Laufe des Spiels immer resignierter ausgeschaut, besonders in den Augen war das zu sehen. Das macht einen selbst stärker. Irgendwann einmal, als er wieder einen Zweikampf verloren hat, sagte er: „You again!“ Du schon wieder.
Obwohl wir die viel bessere Mannschaft waren, stand es lange 0:0. Doch dann kam der Elfmeterpfiff für uns. Ich habe Andreas Brehme noch gesagt, er soll nach links schießen, weil der argentinische Torwart Sergio Goycochea seine Elfmeter in den Spielen zuvor auf der rechten Seite gehalten hatte. Andy hat das sensationell gemacht, obwohl Goycochea in der Ecke war.
Die großen Feierlichkeiten nach dem Titelgewinn
Nach dem Abpfiff wollten wir dann nur noch so schnell wie möglich den Pokal haben und feiern. Die Feier ging bis zum Abflug am nächsten Tag, wir haben nicht geschlafen. 14 Tage lang war dann jeden Tag etwas anderes. Das war etwas Einmaliges. Zuerst der Empfang in Frankfurt am Römer. Auch in meinem Dorf Walddorfhäslach oder in Stuttgart kamen viele Leute. Wenn in Stuttgart der ganze Marktplatz voll ist nur wegen mir, muss man sich schon erst einmal kneifen, ob man träumt. Irgendwann kam der Tag, an dem man zur Ruhe kam und alles realisiert hat – und dann ging es auch schon schnell wieder in den Spielalltag mit dem VfB zurück.
Ich denke, dass jetzt im Finale am Sonntag die Franzosen Favorit sind und Weltmeister werden. Die haben ihren Teamspirit gefunden. Benjamin Pavard hat sich auch mit seinem Supertor fest reingespielt und ist zur festen Größe geworden in seinem jungen Alter. Ich drücke ihm die Daumen und hoffe, dass er den WM-Pokal gewinnt. Es ist schon ein sensationeller Weg, den er hinter sich hat. Er ist aus der zweiten Liga mit uns aufgestiegen, hat dann in der ersten Liga tolle Leistungen gezeigt und über den VfB auch den Sprung ins Nationalteam geschafft. Wenn er als Weltmeister heimkehrt, wären wir alle stolz auf ihn. Ich glaube der Benji weiß genau, dass ihm ganz Stuttgart die Daumen drückt und hofft, dass er als Weltmeister zurückkommt – und dass er dann zumindest noch ein Jahr bei uns in Stuttgart bleibt.“