Ein Männerchor speziell für Soldatenbegräbnisse: der Gesangverein Ehrenfeld auf dem Waldfriedhof Foto: Gohl

Die Geschichten über die Begräbnisse zu Zeiten des Ersten Weltkriegs sind in der Regel in abgeschwächter Version erzählt worden. Der Waldfriedhof war damals ein wichtiger Ort. Eine neue Serie zeigt und erklärt Fotos von damals.

Fast die Hälfte aller Fotos, die im Schwäbischen Bilderblatt während der Kriegsjahre 1914 bis 1918 aus unserer Gegend erschienen sind, zeigen Motive vom Waldfriedhof. Mal sind die Baulichkeiten zu sehen, mal einzelne Grabstätten, mal Beerdigungen.

Heldenbegräbnisse statt Massensterben

Das massenhafte Sterben auf Schlachtfeldern und in Lazaretten ließ sich ganz einfach ausblenden. Und so druckte die zensierte Presse Bilder von würdigen „Heldenbegräbnissen“, bemerkenswerten Grabstätten und den gelungenen Neubauten des Waldfriedhofs.

Mit der Anlage dieser Begräbnisstätte am Westrand Degerlochs hatte die Stadt 1913 begonnen, die Gebäude entstanden nach Plänen des damaligen Stuttgarter Stadtbaurats Albert Pantle. Schon im September 1914 beschlossen die städtischen Gremien, für die hier zu beerdigenden Soldaten auf dem Waldfriedhof ein gesondertes „Ehrenfeld“ anzulegen. Geplant waren 600 Gräber – bestattet wurden an dieser Stelle dann schließlich 1257 Soldaten. Die meisten der rund 10 000 gefallenen Stuttgarter wurden allerdings auf Soldatenfriedhöfen nahe der Front, etwa in Flandern, beigesetzt.

Der Friedhof wird immer mehr zur Gedenkstätte

Die Stadtchronik schreibt zur Bedeutung des Friedhofs: Er wurde, „seitdem als erster am 21. September 1914 der hier an seinen Wunden verstorbene 43-jährige Oberamtmann der Stadtdirektion, Doktor Karl Hory, beigesetzt worden war, immer mehr zur Kriegerbegräbnis- und Gedenkstätte. [...] Den Regelfall für die nach der Heimat verbrachten Gefallenen und die hier Gestorbenen bildete [...] die Beisetzung im Soldatengrab, für das, sofern die Angehörigen keinen besonderen Gedenkstein setzen ließen, eine in ihrer Masse erschütternd wirkende schlichte Einheitsform von Grabschildern gefunden wurde.“

Bei den Soldatenbestattungen fehlte oft sogar eine Trauergemeinde. „Zur würdigeren Gestaltung“, so die Stuttgarter Stadtchronik, regten deshalb der hiesige Apotheker Hermann Reihlen und der unter seinem Künstlernamen Raban Sylvius bekannte, 1875 geborene Dichter Rudolf Schätzle an, ein spezielles Gesangsensemble ins Leben zu rufen.

Letzter Scheidegruß in deutschem Liede

Das Bilderblatt dazu: „Der vaterländische Gesangverein Ehrenfeld in Stuttgart hat sich der Aufgabe unterzogen, den in Stuttgart gestorbenen Kriegern an ihrer Ruhestätte auf dem Waldfriedhof einen letzten Scheidegruß im deutschen Liede darzubringen und das frische Grab mit Lorbeer zu schmücken. Den fernen Angehörigen dieser Krieger mag es wohl ein kleiner Trost sein zu erfahren, daß ihre Lieben so bestattet werden. Unser Bild zeigt den bekannten Komponisten, 1871 geborenen Julius Wengert mit seiner stattlichen Sängerschar bei einer Beerdigung auf dem Waldfriedhof.“

Das Foto war erstmals am 12. März 1915 im Schwäbischen Bilderblatt zu sehen. Als Fotograf wird „A. Kauderer, Stuttgart“ genannt. Es müsste sich dabei um einen Angehörigen des im Stuttgarter Adressbuch nachgewiesenen Eugen Kauderer gehandelt haben, Inhaber eines „Ateliers für photographische Vergrößerungen“ an der Hauptstätterstraße 98.