Ambrosius Alfinger aus Ulm war der erste Gouverneur des heutigen Venezuela – und dem Gold verfallen. Er wird nicht der einzige Schwabe bleiben, der das sagenumwobene Eldorado sucht.
Ulm/Maracaibo - Seit Wochen ist Ambrosius Alfinger unterwegs durch die unwirtlichen Gefilde der Tierra firme, als er mit seinem Tross aus 170 Fuß- und Reitersoldaten die Ebene westlich des Perija-Gebirges erreicht. Hier soll, so wurde dem ersten Gouverneur der Welser-Territorien im heutigen Venezuela berichtet, das Volk der Pacabueyes leben. Indios, angeblich reicher an Gold und prachtvollem Schmuck als die Völker östlich der Lagune von Maracaibo. Unterwegs hat der deutsche Konquistador, der vermutlich aus Ulm stammt, Gefangene unter den Ureinwohnern gemacht: Trägersklaven, zum Teil mit eisernen Ketten und Halskrausen aneinandergebunden, die die Goldschätze der Pacabueyes später zurück nach Coro schleppen sollen. Dorthin also, von wo Alfinger (auch Dalfinger, Talfinger, früher fälschlicherweise auch Ehinger genannt) am. 9. Juni 1531 aufgebrochen war. Das rund 600 Kilometer entfernte Coro ist „seine“ Hauptstadt, eine Ansammlung schmutziger, rasch zusammengezimmerter Bauten mit einem Hafen am Karibischen Meer.
Tatsächlich bearbeiten in der 1000-Hütten-Siedlung Tamara der Pacabueyes, unweit des Rio Magdalena gelegen, „alle Gold und haben ihre Schmelzöfen und Ambosse und Hämmer und Waagen, mit denen sie das Gold wiegen“. So schreibt später der Chronist Estéban Martín, Teilnehmer an Alfingers zweitem Beutezug. Alfinger und seine Soldaten werden bis in den April 1532 im Tal der Pacabueyes ausharren. Die Zeit will der schwäbische Konquistador, der im Auftrag der Augsburger Kaufmannsfamilie Welser ein riesiges Gebiet im Norden des heutigen Venezuela ausbeuten soll, dazu nutzen, so viel Gold wie möglich zusammenzuraffen.
Sobald sich die Ureinwohner widersetzen, werden sie getötet
Die Strategie ist stets dieselbe: Besser wäre es, wenn die Indios ihre Schätze freiwillig auf Grundlage sogenannter Freundschaftsabkommen herausgäben. Denn letztlich sind die Eindringlinge von der Hilfe der Indios abhängig. Kooperieren die Ureinwohner nicht oder beginnen sie sich gar zu widersetzen, folgen Mord und Folter auf die freundlichen Worte. Der Priester Juan des Castellanos notiert: „Ich sehe Alfinger zerstörend und verwüstend, mit blutiger Härte tobend.“ Dann wieder umarme er die adligen Anführer der Indios. Mitunter erpressen die Konquistadoren das Gold auch, indem sie Indios in Käfige sperren. Verwandte sollen die Unglücklichen freikaufen. Weigern sie sich, verhungern die Gefangenen.
Alfinger ist der erste von vier süddeutschen Gouverneuren, die für die Welser die Kolonie „Klein-Venedig“ verwalten, die Kaiser Karl V. dem Augsburger Bankhaus am 27. März 1528 als Pfand überlassen hatte: Auf Alfinger folgen der Ulmer Nikolaus Federmann, Georg Hohermuth von Speyer und Philipp von Hutten. Sie gehören zu den heute weitgehend vergessenen deutschen Konquistadoren, die unter den Ureinwohnern Süd- und Mittelamerikas nicht weniger wüteten als ihre spanischen Kollegen.
Nur durch das Geld der Fugger und Welser wird Karl zum Kaiser
Das Jahr 1519 war aus zwei Gründen von entscheidender Bedeutung für die Eroberung der Neuen Welt und die süddeutschen Unternehmungen in Südamerika: Vor 500 Jahren hatte sich Karl V. vor allem mit dem Geld der Fugger und Welser gegen seinen Widersacher Franz I. von Frankreich durchgesetzt und zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wählen lassen. Fast gleichzeitig war Ferdinand Magellan in See gestochen, um über die Westroute den kürzesten Weg zu den Gewürzinseln – den Molukken – zu finden. Da Karl seine Schulden nie zurückzahlen konnte, überließ er den Welsern zeitweise das riesige Territorium im Norden Südamerikas. Um das Risiko abzusichern – die Welser mussten das Abenteuer selbst finanzieren –, waren zahlreiche schwäbische Kaufmannsfamilien beteiligt. Darunter federführend die Konstanzer Patrizierfamilie Ehinger.
Heinrich Ehinger unterzeichnete für die Welser nicht nur die Wechsel, mit denen sich die Familie an der Wahl Karls beteiligten. Er verhandelte auch, gemeinsam mit dem St. Galler Hieronymus Sailer, in Spanien die Venezuela-Verträge. Einige Verwandte von Sailer tauchen später in Coro wieder als Faktoren, also Leiter der Handelsniederlassungen, auf. Neben der Eroberung der Terra incognita bestand Karls Interesse an dem Unternehmen auch darin, nach Magellans Entdeckung einen noch kürzeren Schifffahrtsweg zu den Molukken im Pazifik zu finden. Um Letzteres scherten sich die deutschen Konquistadoren freilich wenig. Und Alfinger bildete keine Ausnahme.
Die Gier nach Gold treibt Alfinger und seine Männer voran
Mehr als die Reichtümer, die der Ulmer und seine Lanzenreiter im Tal der Pacabueyes zu Gesicht bekommen, fasziniert sie, was ihnen hier zum ersten Mal zu Gehör kommt: Denn weiter im Süden, östlich des Rio Magdalena, soll, so verraten ihm die Indios, ein Volk leben, das sich Cuyandío nennt, ihr Land Cundinamarca soll ein sagenhaftes Goldland sein. Heute liegt im Herzen dieses Gebiets Kolumbiens Hauptstadt Bogotá. Was Alfinger hier erfährt, ist nichts weniger als eine Variante des Eldorado-Mythos: der Geschichte vom „goldenen Mann“ des Muisca-Stammes, die bald alle Konquistadoren des 16. Jahrhunderts in ihren Bann ziehen wird.
Allein, so weit entfernt vom Hauptstützpunkt Coro kann ohne weiteres Kriegsgerät und Nachschub an Männern der Beutezug durch die Bergregion nicht fortgesetzt werden. Der etwa 32 Jahre alte Alfinger ringt sich dazu durch, einen Hauptmann und 25 Soldaten mit 35 000 Pesos an Gold zurück nach Coro zu senden, um Nachschub zu beschaffen. Der Plan scheitert: Der Trupp kommt nie an seinem Ziel an, vermutlich geht er in den Sümpfen zugrunde. Der einzige Überlebende wird berichten, dass das Gold vergraben wurde. Gefunden wurde es nie wieder. Alfinger denkt ans Aufgeben, doch seine Soldaten treibt nun die Gier immer weiter.
Ein vergifteter Pfeil beendet Alfingers Karriere
Zuerst geht auch alles gut. Doch dann treffen die Schatzsucher auf wehrhafte Indios, „die sich Xiriguanes nennen“. Im Tal von Chinácota gerät Alfinger im Mai 1533 auf einem Erkundungsritt in einen Hinterhalt und wird von einem vergifteten Pfeil in die Kehle getroffen. Drei Tage später stirbt der schwäbische Konquistador und Gouverneur, der mit Maracaibo die heute zweitgrößte Stadt Venezuelas gegründet hat.
Die Jagd nach dem sagenhaften Goldland hat mit seinem Tod aber erst begonnen und treibt seine Nachfolger immer weiter in den Süden. Nikolaus Federmann erreicht das Gebiet der Muiscas schließlich. Den goldenen Mann bekommt aber auch er nicht zu Gesicht – dafür zwei Spanier, die schon dort sind, um ihm die Beute streitig zu machen.