Die bis zu 60 Jahre alten „vitalen Großbäume“ in Schorndorf haben viele Anhänger. Foto: Max Kovalenko/PPF

Alles auf Anfang? Zurück zur Natur? Die Baumschützer in Schorndorf jedenfalls wittern Morgenluft. Dank eines neuen Gutachtens hoffen sie, die längt zur Abholzung vorgesehenen 22 Linden in der Uhlandstraße doch noch retten zu können.

Schorndorf - Alles auf Anfang? Zurück zur Natur? Die Baumschützer in Schorndorf jedenfalls wittern Morgenluft. Dank eines neuen Gutachtens hoffen sie, die längt zur Abholzung vorgesehenen 22 Linden in der Uhlandstraße doch noch retten zu können. Mithilfe dieser Expertise ist es den Aktivisten gelungen, das Thema noch im Herbst erneut in den Gemeinderat zu bringen

Bereits zwei Jahre liegt der knappe Mehrheitsbeschluss (16 zu 13 Stimmen) zurück, die Uhlandstraße zu sanieren und zugleich die alten Bäume entlang der Allee zu fällen. Doch insbesondere der Schorndorfer Naturschutzbund (Nabu) setzte alle Hebel in Bewegung, diese Radikallösung zu verhindern. „Mein Freund, der Baum, darf nicht sterben“, hieß die Parole in Anlehnung an den Schlager von Alexandra aus dem Jahr 1968.

Die Naturschützer hatten dabei insofern Erfolg, als die vorgesehene Kettensägenaktion immer wieder verschoben werden musste. Mal wurde ein Gutachten durchgesetzt, um das Vorkommen von geschützten Zwergfledermäusen in den alten Linden zu prüfen. Die Fachleute ließen sich per Hebebühne in lichte Höhen hieven und inspizierten nahezu alle Baumhöhlen und Astlöcher per Endoskop oder Schwanenhalslampe. Prägnantes Fazit von Rathaussprecher Jörg Aschbacher: „Weit und breit keine einzige Spur von Fledermäusen.“

Damit freilich war das Ende der Bäume keineswegs besiegelt. Denn die Initiative hatte sich bereits im Dezember 2011 an den Petitionsausschuss des Landtags gewandt. Eine Entscheidung der Abgeordneten in Stuttgart steht bis heute aus.

Offen ist, ob sich an der Mehrheitsentscheidung aus der ersten Abstimmung zwingend etwas ändert

Und womöglich wird auch gar keine mehr nötig sein. Denn die zwei Baumgutachter Martin Müller und Reiner Katzmeier aus Welzheim, die von der Initiative beauftragt worden waren, sind überzeugt: Die Linden sind zum einen durchaus noch erhaltenswert – nur drei der 22 seien in einem äußerst schlechten und somit entfernungswürdigen Zustand. Und trotzdem sei die Sanierung der maroden Uhlandstraße möglich. Allerdings müsste hierfür statt der bestehenden Regelung von 50 km/h eine Tempo-30-Zone eingerichtet werden. Dann wiederum könnte auf jenen Extra-Radweg verzichtet werden, dem die Bäume weichen sollten.

Mit dieser Strategie haben die Naturschützer neun der 32 Stadträte (und somit mehr als das erforderliche Viertel) überzeugt, sich für eine Neuansetzung der Entscheidung auszusprechen. Im November kommt das Thema erneut auf die Tagesordnung des Stadtparlaments. Wilhelm Pesch von den Grünen jedenfalls rührt fleißig die Werbetrommel. Er ist sich sicher, dass die Zahl jener wächst, die für diesen behutsamen Ausbau der Uhlandstraße bei gleichzeitigem Erhalt der wertvollen, „vitalen Großbäume“ sind. Die bis zu 60 Jahre alten Linden seien wichtig fürs städtische Klein-klima, indem sie gesundheitsgefährdende Feinstäube binden, die Temperaturen an heißen Sommertagen senken und generell den Lärm reduzieren. Ganz im Gegensatz dazu Matthias Härer (CDU): Auf den Radweg verzichten und Tempo 30 einführen, nur um die Lindenallee zu erhalten? „Mich erinnert dies fatal an einen Hausbesitzer, dessen Dach undicht ist und der es nicht decken lässt, sondern Eimer auf dem Dachboden aufstellt, um’s Regenwasser aufzufangen.“

Offen ist jedenfalls, ob sich an der Mehrheitsentscheidung aus der ersten Abstimmung zwingend etwas ändert. „Richtig neue Argumente waren nicht bisher zu hören“, äußert sich ein Gemeinderat skeptisch. Zudem steht offenbar fest, dass einer der fünf grünen Räte im November sich auf einer seit Längerem geplanten Auslandsreise befindet – und somit den Lindenbefürwortern fehlt.