Die Polizei regelt das Abschleppen nun über eine Telefonzentrale in Hamburg. Foto: dpa

Die Polizei hat mehrere Monate gegen ein dubioses Abschleppunternehmen ermittelt, das Fremdparker illegal auf eigene Faust abgeschleppt haben soll. Es soll mindestens 70 Opfer geben.

Stuttgart - Der Lkw-Fahrer eines Möbeleinrichtungshauses ist verärgert. Da steht er nun in der Rötestraße im Stuttgarter Westen und kann die Möbel nicht ausladen. Ein Smart steht im Halteverbot, das hier seit Ende August gilt, und der Kleinwagen steht dem Lastwagen im Weg. Die Möbelpacker verständigen die Polizei. Es ist 10.08 Uhr, als Beamte des Reviers Gutenbergstraße den Fall übernehmen. Muss der Smart abgeschleppt werden oder nicht?

Immerhin entscheidet in diesem aktuellen Fall die Polizei selbst, ob der Falschparker an den Haken kommt. Das ist nicht immer so. Auf privaten Stellflächen hat sich in Stuttgart ein grauer Markt entwickelt, bei dem Abschleppfirmen als Jäger von Falschparkern agieren – und dabei offenbar auch mit krimineller Energie vorgehen. Dies lässt sich aus mehrmonatigen Ermittlungen der Kripo schließen. Die Ermittlungsgruppe „Haken“ hat nach der Berichterstattung unserer Zeitung über Abschlepp-Abzocke eine Firma mit Hauptsitz im Fasanenhof unter die Lupe genommen – unter dem Verdacht des gewerblichen Betrugs und der Erpressung. Man wurde offenbar fündig.

Im Februar flog der Schwindel auf

„Die Polizei hat ihre Ermittlungen abgeschlossen und der Staatsanwaltschaft vorgelegt“, sagt der Staatsanwaltssprecher Heiner Römhild. Nun gelte es, die Erkenntnisse juristisch zu bewerten. Mehr als 100 Anzeigen hatte es im Februar gegeben, als sich die Ermittlungsgruppe ans Werk machte. Wie viele Verdachtsfälle sich erhärten ließen, in welche Richtung das Verfahren läuft, darüber wollte der Sprecher keine Angaben machen. Nach Informationen unserer Zeitung soll es aber immerhin um mehr als 70 Betroffene gehen.

Was war passiert? Auf einem Baustellengelände im Nordbahnhofviertel waren reihenweise Fremdparker abgeschleppt worden. Die Abschleppfirma hatte behauptet, dazu von dem Bauunternehmen per Vertrag beauftragt worden zu sein. In anderen Fällen wurde die Bahn als Auftraggeber genannt. Zwar sind solche pauschale Überwachungsaufträge von privaten Grundstücksbesitzern durchaus statthaft. Unter diesem Vorwand mussten die Autobesitzer ihre Fahrzeuge für 250 Euro im Fasanenhof auslösen. Doch dann stellte sich heraus: Die Abschleppfirma hatte die Aufträge nur vorgetäuscht – und illegal auf eigene Faust Autos beschlagnahmt. Unsere Zeitung deckte mehrere Fälle auf, die Staatsanwaltschaft veranlasste eine Razzia.

Polizeiaufträge landen jetzt in Hamburg

Ein unguter Fall für die Polizei, weil auch diese mit Abschleppfirmen zusammenarbeitet und Aufträge vergibt. Doch seit dieser Woche hält die Polizei mehr Abstand: Das Innenministerium hat die Vergabe von Abschleppaufträgen in Baden-Württemberg extern vergeben, zentral nach Hamburg. Etwa 5300 Fahrzeuge sollen pro Jahr in Stuttgart an den Haken kommen. Mit dieser Zahl rechnen jedenfalls die neuen Regisseure. Was in Stuttgart, in den Landkreisen, in Baden-Württemberg im Auftrag der Polizei aufgeladen wird, soll nun von Hamburg aus „einheitlich, verlässlich und transparent“ vermittelt werden.

So auch im Fall des Smart im Stuttgarter Westen. Die Polizisten sprechen sich mit dem Ordnungsamt ab, dann wird die Polizeizentrale informiert. Die allerdings ordert jetzt nicht mehr selbst den Abschlepper, sondern gibt den Fall weiter an die neue Abschleppzentrale Baden-Württemberg. Das ist eine Telefonzentrale in Hamburg, betrieben von einer Tochtergesellschaft des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), mit 160 Mitarbeitern im Schichtbetrieb.

Abschleppkosten dürften steigen

Für Autobesitzer kann es teurer werden. „Früher hat es bei den Abschleppkosten nur Pauschalen gegeben“, sagt der Polizeisprecher Tomaszewski, „jetzt werden Stundensätze verlangt.“ Die GDV-Dienstleistungs-GmbH verlangt zudem vom Abschlepper für jeden Auftrag 12,49 Euro netto. Eine Gebühr, die weitergereicht werden dürfte. „Inwiefern dies zu Kostenveränderungen für die Verkehrsteilnehmer führt, obliegt der Entgeltkalkulation des einzelnen Unternehmens“, so die GDV. Bisher haben die Hamburger etwa 200 Abschleppfirmen im Land gelistet. Deren Zuverlässigkeit sei über Gutachten und amtliche Nachweise gesichert, so die Sprecherin Andrea Arnemann. Doch wie bekommen die Hamburger neue Erkenntnisse über zweifelhafte Unternehmen mit? „Eine solche Mitteilung“, sagt Polizeisprecher Tomaszewski, „ist dann schon unsere Sache.“

„Klargestellt“

Keine Ermittlung gegen Hübl

Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln im Blick auf dubiose Abschleppfirmen nicht gegen die Stuttgarter Firma Hübl.