Das Vorgehen der Stuttgarter Polizei bei den Ermittlungen zu den Tatverdächtigen der Krawalle in der Landeshauptstadt schlägt Wellen bis nach Berlin. Die Reaktionen sind gemischt: Unterstützung kommt von der Union, SPD und Grüne sehen die Frage nach der Nationalität der Eltern kritisch.
Berlin - Rückendeckung bekommt die Stuttgarter Polizei aus dem Bundesinnenministerium: „Der familiäre Hintergrund kann besonders bei Jugendlichen und Heranwachsenden von Relevanz sein, wenn es darum geht, Strategien für die Prävention zu entwickeln“, sagte Ministeriumssprecher Steve Alter. Auch die Union verteidigte die Beamten gegen die massive Kritik, die ihr entgegenschlägt. Der CDU-Innenexperte Armin Schuster sagte unserer Zeitung: „Bei einem Fall dieser Dimension kommt man um eine soziologische Täteranalyse gar nicht herum – bei den nicht-erwachsenen Verdächtigen ist die Polizei sogar verpflichtet die Familienverhältnisse zu überprüfen.“ Der Bundestagsabgeordnete aus Lörrach war selbst einmal Polizist.
Die Stuttgarter Polizei will bei ihren Ermittlungen gegen die Tatverdächtigen aus der Krawallnacht in der Landeshauptstadt auch die Nationalität der Eltern abfragen. Regierungssprecher Steffen Seibert kritisierte den Ausdruck „Stammbaumforschung“ für dieses Vorgehen. Der Begriff verbiete sich in diesem Zusammenhang, „das ist ein historisch belastetes und nicht angebrachtes Wort“. In Stuttgart gebe es „erhebliche Straftaten“ aufzuklären, die Bundesregierung gehe davon aus, dass die baden-württembergischen Behörden die Ermittlungsarbeiten nach Recht und Gesetz durchführen, so Seibert.
FDP-Innenpolitiker fordert „Fingerspitzengefühl“
Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser mahnte dabei zu einem umsichtigen Vorgehen. „Natürlich ist es nicht außergewöhnlich, sondern gewohnte Praxis von Ermittlern, sich auch soziale und persönliche Lebensumstände von Tatverdächtigen ganz genau anzuschauen“, sagte der Bundestagsabgeordnete aus Weingarten unserer Zeitung. „Es darf aber keinesfalls der Eindruck entstehen, als würde mit einer ‚Stammbaumforschung’ die deutsche Staatsangehörigkeit eines Tatverdächtigen in Frage gestellt oder ein Migrationshintergrund in den Fokus der Ermittlungen gerückt.“ Angesichts der aktuellen Debatte um Rassismus in Gesellschaft und Polizei sei dabei „viel Fingerspitzengefühl“ gefordert.
Die Stuttgarter SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Vogt sieht das Vorgehen der Polizei kritisch. Die Nationalität der Eltern sei nicht entscheidend, sagte Vogt unserer Zeitung. „Es macht aber Sinn, dass das familiäre Umfeld ermittelt wird.“ Denn wie auch bei schweren Gewalttätern oder rechtsextremen Tätern gehe es um die Frage, inwiefern ein Verdächtiger gesellschaftlich integriert sei, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD. „Es bringt aber wenig zu wissen, welche Sprache die Eltern sprechen. Entscheidend ist, in welchen sozialen Rahmenbedingungen jemand lebt.“ Das spiele etwa für die Präventionsarbeit eine Rolle.
Grüne: Vorgehen der Stuttgarter Polizei ist erklärungsbedürftig
Ähnlich äußerte sich Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen. „Wenn bei einer Straftat familiäre Zusammenhänge eine Rolle spielen können, oder es sich um minderjährige Tatverdächtige handelt, macht es Sinn, sich das familiäre Umfeld anzugucken“, sagte die Polizistin unserer Zeitung. Bei jugendlichen Tatverdächtigen lasse sich so herausfinden, ob sie aus besonders schwierigen sozialen Verhältnissen kommen. „Bei solchen Ermittlungen im familiären Umfeld fokussiert man aber nicht auf die Nationalität der Eltern oder die Frage, ob sie in erster, zweiter oder dritter Generation eingebürgert worden sind.“ Und was die Herkunft der Eltern mit der Krawallnacht von Stuttgart zu tun habe, sei ihr völlig unklar, sagte Mihalic. „Insofern ist das Vorgehen der Stuttgarter Polizei erklärungsbedürftig.“