Ermin Bicakcic trifft am Sonntag auf seinen Ex-Klub VfB Stuttgart. Foto: dpa

Bei Eintracht Braunschweig stieg Ermin Bicakcic zum Nationalspieler Bosniens auf. An diesem Sonntag (17.30 Uhr/Sky) trifft er auf seinen Ex-Club VfB Stuttgart. "Ich werde nichts herschenken", sagt er.

Stuttgart – - Ermin Bicakcic, wir wollen ganz ehrlich sein.
Bitte sehr.
Wir fürchten uns ein wenig vor Ihnen. Die Fans rufen Sie „Eisen-Ermin“, Ihr Trainer Torsten Lieberknecht sagt, Sie könnten Eisenbahnschienen zur Not „auch mit dem Kopf krummkriegen“. Sind Sie ein Rambo?
(Lacht) Überhaupt nicht. Den Namen haben sich unsere Fans ausgedacht, ich weiß gar nicht, aus welchem Anlass. Jetzt kommen die Leute in Braunschweig auf mich zu und sprechen mich mit „Eisen-Ermin“ an, das finde ich witzig. Ich nehme das als Anerkennung für meine furchtlose Art, in Zweikämpfe zu gehen. Ich spiele hart, aber fair.
Das sollen wir glauben? Wie viele Rote Karten haben Sie schon gesehen?
Noch keine. Und Gelbe Karten habe ich auch sehr wenige bekommen. Ich hatte noch nie eine Sperre. Ich muss also immer unter fünf Gelben Karten geblieben sein.
„Eisen-Ermin“ klingt bedrohlich. Hoffen Sie, dass VfB-Stürmer Vedad Ibisevic an diesem Sonntag vor Ihnen in Ehrfurcht erstarrt?
(Lacht) Vedo weiß zumindest, was auf ihn zukommt. Auf dem Rückflug von unserem letzten Länderspiel haben wir schon gewitzelt, wie das wird im direkten Duell.
Und, wie wird es?
Auf dem Platz werden wir keine Freunde sein, aber hinterher geben wir uns die Hand.
Nach sechs Bundesligaspielen ist Braunschweig Tabellenletzter, mit einem Pünktchen. Wann startet die Eintracht durch?
Ich hoffe, schon gegen den VfB. Ich höre immer, wir müssten in der Liga ankommen. Damit kann ich nichts anfangen. Wir haben gegen Bremen und Dortmund gezeigt, dass wir ein unbequemer Gegner sein können. Uns hat nur etwas Glück gefehlt.
Das kann nicht alles sein.
Wir haben schon gute Spiele gezeigt. Jetzt müssen wir weiter mit Mut und Selbstvertrauen auftreten. Gegen den VfB werden wir alles daransetzen, unseren ersten Dreier zu landen. Auch wenn ich vom VfB komme – ich werde nichts herschenken. Der Aufstieg war schön und gut, aber die Bundesliga ist kein Sightseeing. Jetzt geht es erst richtig los.
Glauben das die Eintracht-Fans auch?
Die sind einmalig. Sie stehen wie ein Fels hinter uns. Das gibt uns die zweite Luft.
Sind die Fans besonders dankbar – schließlich mussten sie 28 Jahre lang auf Bundesliga-Fußball verzichten.
Die Euphorie war schon lange vor unserem Aufstieg überragend. In Ingolstadt haben wir ihn perfekt gemacht, das war ein Meilenstein – auch für mich und meine Karriere.
Sie sind in Braunschweig eine feste Größe und haben fast alle Spiele über 90 Minuten mitgemacht. Mit Ihrem Wechsel vom VfB im Januar 2012 haben Sie alles richtig gemacht, oder?
Das war ein enorm wichtiger und richtiger Schritt. Beim VfB war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich mir sagte: Hier kannst du dich nicht mehr entwickeln.
In Braunschweig ist Ihnen das dank Torsten Lieberknecht gelungen.
Der Trainer hat mir von Anfang an Vertrauen geschenkt, da konnte ich mich ganz auf meine Leistung konzentrieren.
Was zeichnet Lieberknecht aus?
Er ist hoch professionell und lebt das vor. Wenn er an der Linie herumtanzt, ist das keine Show für die Kameras. So ist er. Er legt alles rein, das überträgt sich auf uns Spieler. Und er spricht viel mit den Einzelnen.
Das hat Ihnen beim VfB gefehlt?
Mit dem VfB haben wir gegen den Abstieg gekämpft. Mein erstes Bundesligaspiel war gegen Bayern München, ich habe auf der ungewohnten rechten Abwehrseite gespielt, und mein Gegenspieler war Franck Ribéry. Ribéry! Der gerade Europas Fußballer des Jahres geworden ist! Als junger Spieler wartest du nur auf so eine Chance, aber das Spiel lief nicht optimal.
Eine zweite Chance gab es nicht?
Ich habe noch im Pokal gegen Wehen Wiesbaden gespielt und sogar ein Tor erzielt. In diesem Spiel habe ich mich aber verletzt. Als ich aus der Reha zurückkam, hatte ich das Gefühl, dass der Verein nicht mehr das große Vertrauen in mich hatte.
Sie meinen Trainer Bruno Labbadia?
Ich kann mich jedenfalls an kein Gespräch mit ihm erinnern. Erst nach meinem Wechsel haben wir ein paarmal SMS ausgetauscht. Damals hatte ich das Gefühl, dass ich dorthin geschoben wurde, wo Not am Mann war. Da kannst du dir ausmalen, wie es um dich steht. Da wusste ich: Es ist Zeit, den nächsten Schritt zu machen.
Torsten Lieberknecht ist anders?
Man kann die beiden nicht vergleichen. Ich will auch nichts Schlechtes über Labbadia sagen, schließlich hat er mir zu meinem ersten Bundesligaspiel verholfen. Nur so viel: Bei Lieberknecht habe ich gleich gespürt, dass ich wirklich gebraucht werde.
Sie kamen 2005 zum VfB, waren sechs Jahre in Stuttgart. Was bleibt aus dieser Zeit?
Ich habe beim VfB in der Jugend, in der U 23 und bei den Profis gespielt. Ich bin ein Stuttgarter Junge und froh und dankbar, dass ich meine Ausbildung beim VfB genießen durfte, der mit die beste Jugendarbeit in Deutschland macht. Dort habe ich Dinge gelernt, die wichtig sind für eine Profikarriere – Disziplin, Pünktlichkeit oder auf die Ernährung zu achten.
Woran erinnern Sie sich am liebsten?
An das Training beim Clubheim. Als Jugendspieler schielst du immer rüber zum Stadion und denkst: Dort will ich einmal spielen. Das war eine sehr prägende und emotionale Sache. Auch das Spiel an diesem Sonntag ist für mich eine Herzenssache. Der VfB wird immer meine Heimat sein.
Haben Sie noch Kontakt zum VfB?
Jochen Schneider und Fredi Bobic, die beiden Sportdirektoren, haben mir zum Aufstieg gratuliert und mich zum Pokalfinale eingeladen. Leider hatte ich schon meinen Urlaub gebucht. Aber ich habe mich sehr gefreut, dass mich der VfB nicht vergessen hat.
Nächsten Sommer müssen Sie Ihren Urlaub womöglich ausfallen lassen – falls Sie mit Bosnien zur WM nach Brasilien fahren.
Ich bin sehr stolz, für mein Land spielen zu dürfen. Die erste Einladung kam überraschend, aber ich sage mir: Von nichts kommt nichts. Es ist eine Bestätigung für mich. Jetzt sind wir Gruppen-Erster und spielen noch gegen Liechtenstein und in Litauen. Im Fußball ist zwar vieles möglich, aber wir haben Größen wie Vedad Ibisevic, Sejad Salihovic und Edin Dzeko in unserer Mannschaft. Wir müssten uns schon dämlich anstellen, wenn wir das noch hergeben. Und für Brasilien verzichte ich gern auf meinen Urlaub.