Bruno Graf wurde im Dezember 1924 geboren – und schildert in seinen Erinnerungen die Zeit bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Foto: factum/Bach

Bruno Graf hat in seinen 91 Lebensjahren viel erlebt – darunter den Aufstieg der Nationalsozialisten und den Zweiten Weltkrieg. Die Erinnerungen daran hat der Münchinger nun aufgeschrieben.

Korntal-Münchingen - Bruno Graf hat in seinem Leben schon einiges erlebt. Dazu zählen der Beginn des Nationalsozialismus und später der Zweite Weltkrieg ebenso wie die Zeit in Gefangenschaft der Russen und Zwangsarbeit im Arbeitslager. Diese Erinnerungen hat der 91-jährige Münchinger aufgeschrieben – und dokumentiert damit auch ein Stück Zeitgeschichte.

In dem knapp hundert Seiten starken Büchlein schildert Graf, der bei Rottweil am Neckar geboren ist, zunächst Szenen aus seiner Kindheit. Das sind lebhafte Eindrücke, etwa ein Moment, in dem ein Mann einen Bären an einem Nasenring durch den Ort zog – oder als sich Graf die Fingerkuppe abschnitt, weil er ein wenig zu fasziniert von der Futterschneidemaschine mit Schwungrad war.

Der Münchinger beschreibt auch den Aufstieg des NS-Regimes. Er erinnert sich an einem Nachmittag im Januar 1931, als Lastwagen mit Nationalsozialisten und ihren wehenden Hakenkreuzfahnen heranfuhren. Für Graf war es der erste Kontakt mit der Politik. Er schildert, wie die Geschwister Braunhemden tragen wollten – und es die Eltern zum Unverständnis ihrer Sprösslinge strikt verboten. Graf selbst interessierte sich als Kind mehr für Hermann den Cherusker als die Avancen eines NSDAP-Manns, der die Schüler für ein Zeltlager anwerben wollte.

Russische Gefangenschaft und Arbeitslager

Später, so schildert es Graf, wurde er immer wieder aufgefordert, in die NSDAP einzutreten – und wollte nicht. Eingezogen wurde er schließlich doch, und machte seine Grundausbildung im elsässischen Haguenau. Schließlich ging es „als Kanonenfutter“, wie der 91-Jährige es formuliert, gen Osten nach Russland. Er geriet in russische Gefangenschaft und war in zwei Arbeitslagern. Später arbeitete Graf bei Südmilch und zog 1970 in die Wohnung in Münchingen, in der er noch heute lebt.

An vieles, sagt Graf, könne er sich nicht mehr so genau erinnern. Aber die Schilderungen in seinem Buch sind detailliert. Dass er überhaupt zum Stift gegriffen hat, um diese Erlebnisse festzuhalten, geschah auf Anregung seiner Tochter. Graf schildert in seinem Vorwort, dass er auch Jahrzehnte später noch – oder wieder – intensiv über seine früheren Erlebnisse aus Krieg und Gefangenschaft nachdachte und von ihnen träumte. „Meine Tochter hat mir dann geraten, es aufzuschreiben“, erzählt der 91-Jährige. Daraufhin schrieb er alles mit einem Kugelschreiber, die Tochter tippte es auf dem Computer ab – und Graf bekam das gebundene Buch schließlich zum Geburtstag geschenkt. Kaufen kann man das Buch nicht. Graf hat es in erster Linie für sich selbst aufgeschrieben – und für seine Nachkommen, die sich damit ein Bild von seinem Leben machen können.