Kriegsende in Stuttgart 1945 Foto: dpa

Wie haben Baden-Württemberger das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt? Wir veröffentlichen an dieser Stelle in Auszügen Erinnerungen unserer Leserinnen und Leser. Ingrid Isele (82) aus Beuren erzählt, wie aus Abneigung gegenüber den Amerikanern Sympathie wurde.

Stuttgart - Wie haben Baden-Württemberger das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt? Wir veröffentlichen an dieser Stelle in Auszügen Erinnerungen unserer Leserinnen und Leser. Ingrid Isele (82) aus Beuren erzählt, wie aus Abneigung gegenüber den Amerikanern Sympathie wurde.

„Nach drei Jahren nächtlichen Bombenangriffen und der Zerstörung unserer Heimatstadt Hamburg und dem Verlust unserer Wohnung wurde unsere Mutter mit ihren beiden Töchtern nach Franken evakuiert. Damals war ich zehn Jahre alt. In Hallstadt wurden wir in einem Einfamilienhaus auf beengtem Raum untergebracht. Die Lebensmittelversorgung war schlecht.

Kurz vor Kriegsende 1945 verstärkten die Amerikaner ihre Tieffliegerangriffe – beinahe wurde ich dadurch selbst zum Opfer. Auf meinem Schulweg musste ich mich mit meinem Fahrrad in den Straßengraben werfen, um nicht getroffen zu werden. Meine Sympathie für die Amerikaner hielt sich also sehr in Grenzen. Dies änderte sich, als im April 1945 (ich war gerade zwölf Jahre alt geworden) die ersten US-Panzer und Lkw mit amerikanischen Soldaten durch unsere Stadt rollten. Da wir immer noch sehr wenig zu essen hatten, machte ich mich nützlich: Ich lauerte am nahe gelegenen Bahndamm auf haltende Züge der Amerikaner. Hier waren meine wenigen Englisch-Brocken sehr nützlich, denn ich konnte die Amerikaner um etwas zum Essen bitten. Meine Familie freute sich sehr über die „erbeuteten“ Geschenke: Dosen mit Schweinefleisch und Rosinen, Notrationen mit Keksen, Schokolade und vieles mehr.

Später bezogen US-Soldaten Posten vor unserer Tür. Meine Mutter wurde von einem dieser Wachhabenden gebeten, seine Hemden zu waschen; als Dank bezogen wir gutes Weißbrot, Rührei-Pulver und anderes. Einmal schenkte unser Wachtposten uns einen Ballen Fallschirmseide. Ein daraus genähtes Kleid besitzt meine Schwester noch heute – ihre Enkelin trug es zu ihrer Hochzeit!

1946 konnte unser Vater uns nach Hamburg zurückholen, wo wir längere Zeit in einem von ihm ausgebauten Luftschutzkeller wohnen konnten. Wie konnte man damals wissen, dass Jahrzehnte später mein Sohn Olaf mit seiner amerikanischen Frau und zwei Söhnen als eingebürgerter US-Amerikaner in Cincinnati leben würde.“

Aufgezeichnet von Kathrin Brenner