Auch nach 30 Jahren ist Rolf Weinzierle der Erdbeere nicht überdrüssig. Am liebsten isst er sie mit Eis und Sahne. Foto: Judith A. Sägesser

Rolf Weinzierle ist seit 30 Jahren im Erdbeergeschäft. Der 57-jährige betreibt insgesamt 31 Selbstpflücker-Plantagen im süddeutschen Raum – eine davon auf dem Birkacher Feld zwischen Plieningen und Möhringen.

Birkach/Plieningen - Er ist zurzeit locker 15 Stunden im Dienste seiner Erdbeeren unterwegs. Am Morgen war Rolf Weinzierle zum Beispiel schon auf der Plantage in Sigmaringen, in Riedlingen und Bad Saulgau, bevor er aufs Birkacher Feld gefahren ist. Als nächste Haltepunkte des Tages stehen Reutlingen-Mittelstadt und Bad Urach auf seiner Liste. Wer sich nun einen abgehetzten Mann vorstellt, muss dieses Bild im Kopf durch ein neues ersetzen.

Blick aufs Erdbeermeer

Auf diesem neuen Bild sitzt ein kurzbehoster, sonnengebräunter Rolf Weinzierle barfuß auf einem Holzhocker im Schatten eines Nussbaums, durch seine leicht getönte Brille blickt er auf seine Erdbeerplantage wie ein Urlauber aufs Meer. „Freiheit“, ist seine knappe Antwort auf die Frage, warum sein Herz für diesen Job klopft. Kombiniert mit dem Bild von dem Mann unter dem Nussbaum sagt dieses eine Wort mehr als tausend andere. Seit anderthalb Wochen ist die Plantage für Selbstpflücker auf dem Feld nahe dem Asemwald geöffnet. Es ist eine von insgesamt 31 im süddeutschen Raum, die Rolf Weinzierle zusammen mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Schwiegersohn unterhält. Sie bewirtschaften rund 70 Hektar mit zwölf Erdbeersorten. Das Stammhaus des Familienbetriebs ist in Aulendorf.

Erdbeeren im großen Stil anzubauen und unter die Leute zu bringen, heißt, dass einen die Freunde in den Monaten April, Mai und Juni mehr oder weniger abschreiben können. In dieser Zeit ist die Welt der Weinzierles in erster Linie süß und saftig. Aber allein damit ist es nicht getan, insgesamt ackert die Familie rund neun Monate für die Erdbeeren, in den restlichen Wochen des Jahres hat sie frei.

Rolf Weinzierle ist Wein- und Obstbaumeister. An die Erdbeeren geriet er Mitte der 1980er-Jahre – als Verwalter der „Plantagen Schilling“. 1990 hat er den Betrieb unter demselben Namen übernommen. Seitdem hat sich einiges geändert, bis auf eines: Die Leute lieben Erdbeeren. Doch Selbstpflücker-Plantangen wie die der Weinzierles seien trotzdem nach und nach geschrumpft, erzählt er. Im Jahre 1985 habe der Betrieb teils Plantagen mit sechs Hektar am Stück gehabt. Heute sind die einzelnen Äcker vielleicht noch einen Hektar groß. Früher brauchte es drei Kassen pro Plantage, heute reicht eine. Die größten Probleme machen die Discounter, erklärt Weinzierle unterm Nussbaum. Mit den Preisen, die die Leute dort für ein Schälchen Erdbeeren zahlen, kann er nicht mithalten. „Ich will ja auch noch leben.“ Obwohl es sich finanziell durchaus bemerkbar macht, wenn die Leute selbst pflücken und nicht andere für sich pflücken lassen. Wem die Eigenernte zu anstrengend ist, kann sich übrigens am Wellblechhäuschen am Feldrand abgewogene Portionen kaufen.

Das Wetter als Gegner

Ein weiterer Gegner des Erdbeergeschäfts kann das Wetter sein. „Schädlinge und so weiter haben wir im Griff“, sagt er, „wir sind ja Fachleute.“ Aber gegen die Witterung ist kein Kraut gewachsen. „Wir sind extrem wetterabhängig“, sagt er. „Das Wasser abstellen, das können wir nicht.“ Da können die Kunden noch so gewillt sein, Erdbeeren direkt vom Feld zu holen, wenn es wochenlang regnet, spürt Rolf Weinzierle das deutlich in seiner Bilanz. Im vergangenen Jahr zum Beispiel sei seine Ernte großteils verhagelt worden. So angenehm es ist, in kurzen Hosen dazusitzen, „wir sollten schon wieder a weng Regen haben“, sagt er. Sonst gedeihen die Erdbeeren nicht so prächtig, wie sie sollten.

Von seinem Holzhocker aus beobachtet Rolf Weinzierle einen Mann mit Strohhut. Der ist gerade mit seiner Frau am Feld angekommen, läuft zum Zaun und streckt die Hände durch die Maschen. Ein Spaßvogel, der es nicht abwarten kann, sich die roten Früchtchen in den Mund zu schieben. Naschen ist erlaubt, solange es nicht unverschämt wird, erklärt der Boss. Für Pflücker, die selbst vielleicht nicht das Maß finden, stellt Weinzierle auf jeder Plantage einen Kontrolleur ab. Allein dessen Anwesenheit helfe, dass die meisten der Beeren in den Eimer und nicht in den Mund wandern.

Lieblingsthema Ernährung

Er selbst hat auch nach 30 Jahren nicht genug von Erdbeeren. Am liebsten isst er sie mit Vanilleeis und Schlagsahne. Dass er sich dieses Schmankerl während der Saison mindestens dreimal die Woche gönnt, versteckt er gut. Rolf Weinzierle ist ein drahtiger Typ. „Ich lang’ ansonsten nicht so zu“, sagt er und ist bei einem seiner Lieblingsthemen: der Ernährung. „Heute ist die Haltung bei vielen: billig, billig, alles in die Mikro, pieps.“ Ihm dreht sich bei dem Gedanken der Magen rum. Er kehre gern ein, frage aber immer nach der Herkunft des Rostbratens. „Ich esse doch keinen argentinischen Rostbraten in Oberschwaben, wo hier alles muh, muh macht.“ In Neuseeland habe er mal italienische Kiwis gesehen. „So krank ist die Welt“, sagt er, schüttelt den Kopf und blickt durch seine getönten Brillengläser über sein Erdbeermeer.