Zwischen Gaisburg und Hedelfingen erstrecken sich im Neckartal alte Gewerbegebiete, die zum Teil großes Potenzial haben. Stadtplaner können sich hier jedenfalls Kreativ-, Kultur- und Marktquartiere vorstellen.
Wer von der Innenstadt mit der Stadtbahnlinie U 9 in Richtung Hedelfingen fährt, sieht Industrie- und Gewerbeanlagen, deren beste Jahre längst vorüber sind: Das Schlachthof-Viertel, das ehemalige Blau-Areal, das Viehwasen-Gebiet mit dem Stahl-Gelände, das Fleiwa-Grundstück sowie südlich von Wangen die Kesselstraße/Heiligenwiesen, der ehemalige Kodak-Standort, das aufgegebene Nill-Areal auf der einen und das Schaudt-/Kriegeskorte-Gelände auf der anderen Seite haben den Charme der 60er Jahre. Doch die Stadtplaner um Peter Hartung erkennen in dieser Längsachse durch das Tal einen „produktiven Stadtraum“ mit Entwicklungspotenzial und haben nun mit Unterstützung der Hochschule für Technik Stuttgart das Gebiet stadtbezirksübergreifend betrachtet.
Brachliegende Gleistrasse begrünen
Dabei fiel den Stadtgestaltern die Gleistrasse vom Güterbahnhof Gaisburg in Richtung Wasenstraße auf. Sie wird zwar teilweise noch von der Hafenbahn genutzt, die Flächen vom Kraftwerk bis zum Gaskessel sowie die alte Trasse im Gebiet Viehwasen liegen aber brach. Diese Brachen könnten zu einem ökologischen Refugium und einer neuen Wegeachse für Fußgänger und Radler umgestaltet werden.
Gastronomisches Herz der Stadt
Zwischen Schlachthof und Großmarkt wiederum haben sich historisch bedingt viele Lebensmittelversorger angesiedelt. „Hier könnte sich das gastronomische Herz der Stadt entwickeln“, sagt Hartung. Die dritte positive Eigenschaft sieht Stadtplanerin Lea Sophie Gräter in den in die Jahre gekommenen Gebäuden. Sie könnten Existenzgründern, Start-ups oder Kulturschaffenden mit kleinem Geldbeutel eine Chance bieten.
Kultur- und Kreativzentrum am Brendle
Die Stadtplaner haben fünf Areale genauer unter die Lupe genommen: In Stuttgart-Ost fällt der Blick auf die Brendle-Kreuzung, der die Stadtgestalter dem Grenzgebiet zwischen Wangen und Gaisburg eine Pfortenfunktion zuweisen. Niemandsorte, wie der große Parkplatz am Kraftwerk, könnten zum produktiven Bindeglied mit den Genussorten rund um den Großmarkt werden und sich gleichzeitig positiv auf den benachbarten Viehwasen auswirken. Mit der Kulturarena und dem Space Shack wirken dort bereits einige Kultureinrichtungen. Nach Abschluss der S-21-Arbeiten ergeben sich auch auf dem Gelände neue Möglichkeiten.
„Der künftige Kreativ- und Kulturdistrikt soll die Schnittstelle zum Wangener Ortskern schaffen“, sagt Gräter. Während dies noch eher eine Vision ist, sind die Pläne für das nächste Projekt schon konkret. Zwischen der Wasenstraße und der B 10 in Wangen im Bereich des Jugendhauses wird ein Freizeit- und Bewegungsraum entstehen. „Eventuell mit der Neugestaltung der Untertürkheimer Brücke“, schlagen die Stadtgestalter vor.
Innovationen in der Kesselstraße
Weiter südlich schließt sich dann das Industriegebiet Kesselstraße/Heiligenwiesen sowie das einstige Kodak-Areal an. Vor 20 Jahren bereits als Forum für Innovation und Technologie hochgelobt, haben sich bislang nur vereinzelt entsprechende Unternehmen durchgesetzt. Mit dem Umzug der Stadtwerke Stuttgart erhoffen sich die Verantwortlichen neue Impulse hin zu einem Quartier für Innovationen und Lernorten. Außerdem könnte es das Zusammenwachsen der beiden Standorte links und rechts der Hedelfinger Straße befördern. Der Wunsch wäre ein gemeinsamer städtebaulicher Wettbewerb der Stadt mit den privaten Eigentümern. Die Industrieareale sollen wiederbelebt werden.
Wettbewerb für Hedelfingens Ortseingang
Mittelfristig zudem gut vorstellbar ist auch das Entwicklungskonzept für „Hedelfingen Mitte-West“. Für den Ortseingang Hedelfingens hat die Stadtverwaltung einen städtebaulichen Wettbewerb, der das Nill- und Lidl-Areal und die neue Turn- und Versammlungshalle umfasst, vorgeschlagen.
Die Bezirksbeiräte von Wangen und Hedelfingen sehen in den Vorschlägen wünschenswerte Visionen und begrüßten sie den gesamtheitlichen Blick. Ihnen ist jedoch bewusst, dass die praktische Umsetzung eine Herkulesaufgabe wird. Der Bewegungsbereich rund ums Wangener Jugendhaus und die Multifunktionshalle in Hedelfingen könnten sie noch in diesem Jahrzehnt erleben. Doch für die anderen Projekte könnten selbst die oft zitierten „40 Jahre bis zur Verwirklichung“ optimistisch gerechnet sein.