In den Black Forest Studios in Kirchzarten hat der Kremlkritiker seinen Film über Putin produziert. Die Dreharbeiten fanden unter strengster Geheimhaltung statt.
Kirchzarten - Einige Absperrbänder flattern im Wind, aber der Weg zum Parkplatz der Black Forest Studios in Kirchzarten ist frei. Zwei Fußgänger machen einen Abendspaziergang im Nieselregen. Der benachbarte Campingplatz hat geschlossen. Dass hier an diesem unspektakulären Ort am Rand eines Wohngebiets bis vor wenigen Tagen ein Film entstand, der gerade die Weltöffentlichkeit elektrisiert und im Internet bis Freitagmorgen über 80 Millionen Mal abgerufen wurde, kann man sich kaum vorstellen.
Alexej Nawalny hatte sich mit seinem Team hier in den erst im November eröffneten Black Forest Studios einquartiert, um seinen Enthüllungsfilm „Ein Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung“ fertigzustellen. Zuvor hatte er einige Wochen zur Erholung im Schwarzwaldörtchen Ibach in der Nähe von Waldshut-Tiengen verbracht.
Die Mitarbeiter veröffentlichten den Film im Internet
Zwei Tage nachdem der russische Bürgerrechtler und Kremlkritiker direkt nach seinem Rückflug aus Deutschland am Flughafen Moskau verhaftet wurde, veröffentlichten seine Mitarbeiter den Film im Internet. Nawalny möchte darin wissen, „wie aus einem normalen sowjetischen Offizier ein Verrückter werden kann, der besessen von Reichtum und Luxus ist“.
Und er zeigt neben vielen Dokumenten und Grafiken auch mittels einer Drohne gefilmte Bilder eines riesigen Anwesens am Schwarzen Meer: Wladimir Putins Luxuspalast, so die Behauptung. Die ersten acht Minuten des knapp zweistündigen Films sind in Dresden entstanden, wo der russische Präsident ab 1985 als KGB-Offizier tätig war. Danach ist Alexej Nawalny im Film an einem Tisch im Landhausstil, der sogenannten Barn Kitchen der Black Forest Studios, zu sehen, wie er seine Texte auf Russisch direkt in die Kamera spricht.
Die Sicherheit der Umgebung war den Mietern sehr wichtig
Das Treffen mit den Studiobetreibern Sebastian Weiland und seiner Frau Nina Gwyn Weiland erfolgt am gleichen Ort. Nach dem Trubel der vergangenen Wochen ist wieder Ruhe eingekehrt. Die Studiochefs erinnern sich: Anfang Dezember kam eine Anfrage per Mail aus Los Angeles von einer Produktionsfirma. Die Rede war von einer Dokumentation. Gesucht wurden für ein paar Drehtage geeignete Räumlichkeiten, Personal und Equipment in Süddeutschland. Die Weilands kannten die Firma nicht, obwohl sie selbst enge Kontakte nach L. A. haben, aber die Anfrage machte einen sehr professionellen Eindruck. Wenige Wochen zuvor hatten sie von einem insolventen Schweizer Filmequipment-Verleih technische Ausrüstung gekauft, so dass sie aus dem Vollen schöpfen konnten. Die Zusage erfolgte. „Um wen es sich dabei handelt, erfuhren wir erst bei der Vorbesichtigung. Dann haben wir uns dementsprechend aufgestellt, damit der Dreh unter größter Geheimhaltung ablaufen kann“, sagt Nina Gwyn Weiland. Die Sicherheit der Umgebung war den Mietern sehr wichtig.
So blieben die Türen und Jalousien des Studios geschlossen, das Gelände wurde abgesperrt, das Team zur Verschwiegenheit verpflichtet. Selbst der Bürgermeister erfuhr nichts von den Dreharbeiten. „Wir haben auch schon in Hollywood mit Celebrities gearbeitet. Geheimhaltung und Diskretion sind wir gewohnt“, sagt Sebastian Weiland. Inhaltlich haben die Black Forest Studios nichts mit dem Film zu tun, betonen die Studiobesitzer. Sie haben nur die Technik und die Location gestellt sowie den Dreh organisiert.
Am Ende eines Drehtags stand Alexej Nawalny hinter dem Tresen der Bar
Eigentlich war das Studio nur für eine knappe Woche gemietet, aber den Filmemachern habe der Ort mit seiner Atmosphäre und den filmischen Möglichkeiten so gut gefallen, dass der Dreh auf insgesamt zwei Wochen verlängert wurde und Teile der 20-köpfigen internationalen Crew aus Berlin, wo eigentlich ein letzter Shoot vor dem Abflug nach Moskau geplant war, nach Kirchzarten kamen.
Die Arbeitstage waren intensiv – von frühmorgens bis spätabends, länger als geplant. Am Ende eines Drehtags stand Alexej Nawalny hinter dem Tresen der hauseigenen Bar und hat Schnäpse ausgeschenkt. „Mich hat am meisten seine entspannte Freundlichkeit begeistert und die Ruhe, in der er seine Leidenschaften und Visionen zum Ausdruck bringt“, erzählt Nina Gwyn Weiland. Auch Nawalnys Frau und seine Tochter kamen gelegentlich zu Besuch. Insgesamt herrschte eine familiäre, vertraute Atmosphäre. Bis zur letzten Minute wurde gedreht und produziert. Er möchte einmal wiederkommen, wenn er eines Tages nochmals Urlaub im Schwarzwald macht, habe Nawalny versprochen.
Das Video ist bei YouTube bereits mehr als 86 Millionen Mal aufgerufen worden. Putin hat unterdessen bestritten, im Besitz des Anwesens am Schwarzen Meer zu sein. Die Immobilie gehöre weder ihm noch seiner Familie, betonte der Präsident.