Coco Chanel Foto: AP

Coco Chanel soll für die Nazis spioniert haben, behauptet US-Journalist Hal Vaughan

 Paris - Vorwürfe, Coco Chanel habe sich während des Zweiten Weltkriegs an Juden bereichert, sind nicht neu. Doch die französische Modeschöpferin scheint auch politisch aktiv gewesen zu sein. Ihre Mission: Frieden herzustellen zwischen Deutschland und Großbritannien.

 Ein koloriertes Foto von 1936 zeigt eine schöne Frau. Tiefschwarzes Haar, große Augen, ebenmäßige Gesichtszüge, üppige Perlenkette und in der Hand eine Zigarette, was seinerzeit als mondän galt. Gabrielle Chanel, die ihren Vornamen zu Coco machte, war eine eindrucksvolle Erscheinung. Offenkundig auch noch 1940, im Alter von 57 Jahren, als Frankreich von den Nazis besetzt wurde.

Sie ließ sich auf eine Affäre mit einem hochrangigen Nazi-Spion ein, der sie zugleich für den deutschen Geheimdienst anwarb. Die Gründerin des heute weltberühmten Modehauses Chanel, die 1971 verstarb, hatte bis zu ihrem Tod immer wieder die Vorwürfe zurückgewiesen, sie habe mit den deutschen Besetzern kollaboriert.

Der amerikanische Journalist Hal Vaughan schreibt nun in seinem Buch, dass Chanel die Agentin F-7124 mit dem Codenamen Westminster war. Diese Zuordnung bezieht sich auf ihren britischen Liebhaber, den zweiten Herzog von Westminster, Hugh Richard Arthur Grosvenor, genannt Bendor. Er war ein enger Vertrauter des damaligen britischen Premierministers Winston Churchill.

Der "Spatz" köderte Coco

Baron Hans Günther von Dincklage, "Spatz" genannt, verstand es, die Pariser Modedesignerin mit Tricks zu erobern. Als Mitglied der Gestapo war er bereits seit 1935 als "Goebbels Propagandaagent in Paris" zugange. Das hat der Autor in allen zugänglichen Unterlagen in Frankreich, Großbritannien, Deutschland und den USA recherchiert. Zuerst spionierte Dincklage deutsche Exilanten aus, dann wurden ihm als "Meisterspion der Nazis" höhere Aufgaben zuteil.

Er ermöglichte es Coco Chanel, in der Zeit der Besatzung im Hotel Ritz wohnen zu können, ein Liebesnest für ein Paar, auf dem ein Schatten lag. Als ein Neffe von ihr in einem deutschen Lager inhaftiert wurde, reiste sie auf Anraten Dincklages 1941 nach Spanien, um ihn freizubekommen, 1944 noch einmal, wobei sie in Madrid eine hohe Geldsumme von einem Gestapo-Offizier erhielt. Vaughans These: Coco Chanel führte fast über die gesamten Kriegsjahre hinweg ein Doppelleben.

"Operation Modellhut" in Berlin

Die Grande Dame der Pariser Modewelt hatte es sich in den Kopf gesetzt, zwischen England und Deutschland einen Separatfrieden herzustellen. Deshalb hatte ihr Ex-Geliebter, der Herzog von Westminster, sie aufgefordert, mit der deutschen Abwehr Kontakt aufzunehmen. Im Rahmen der Operation "Modellhut" reiste sie nach Berlin, um ihre Mission in der deutschen Reichshauptstadt populär zu machen. Doch die Chanel-Mission kam nicht in Gang.


Nach den Angaben Vaughans war Chanel, die aus dem katholischen Landmilieu stammte und durch harte Klosterjahre in ihrer Jugend geprägt war, durch und durch eine Antisemitin. Während der Besatzung versuchte sie über ihre Kontakte zu den Deutschen ihren Anteil am Parfum Chanel No 5 zu erhöhen, das großteils im Besitz jüdischer Geldgeber, der Brüder Wertheimer, war. Chanels Händlernaturell soll ebenso ausgeprägt gewesen sein wie ihre reaktionäre Einstellung gegenüber Juden.

Eiskalt und berechnend

Trotz des größenwahnsinnigen Ideals, England und Deutschland zu versöhnen, beschreibt Vaughan sie als eiskalt und berechnend, wenn es um den eigenen Vorteil ging. So soll sie darauf gedrängt haben, dass ihr früherer Liebhaber Baron Louis de Vaufreland, der als einziger Franzose über ihre Beziehungen zu den Deutschen im Bilde war, "verschwinden" sollte. Es ist überhaupt bemerkenswert, wie Chanel ihr Liebesleben dazu nutzte, um geschäftlichen Gewinn herauszuholen. Zwei Liebhaber, die ihre erste Boutique finanziert hatten, ließ sie bald darauf fallen, flirtete mit einem russischen Großfürsten, um an Parfum-Geheimformeln zu kommen, und gleichzeitig mit dem Musiker Strawinsky und anderen.

1946 wurde gegen Coco Chanel ein Kollaborationsverfahren eröffnet, da hielt sie sich im Schweizer Exil auf. Sie reiste aber nach Paris zum Gerichtstermin und verteidigte sich so exzellent, dass man die Anklage vorläufig aufhob. 1954 kehrte sie ganz nach Paris zurück und knüpfte an ihre früheren Erfolge an. Sie hatte alle Vorwürfe ausgesessen.

Das Modehaus Chanel erklärte am Donnerstag, man habe das Buch bisher zwar noch nicht lesen können. "Unserer Meinung nach aber sind die Andeutungen haltlos", heißt es in der Erklärung.