15.000 Füchse sind in London unterwegs: Tierschützer kämpfen nun gegen Abschuss.

London - Tammy Pages Geschichte klingt wie ein Albtraum: Vor ein paar Tagen reißt sie ein lautes Rütteln und Klappern an der Tür aus dem Schlaf. In panischer Angst sucht die alleinlebende Londonerin sich einen schweren Gegenstand, um den Einbrecher zu stellen. Im Flur zur Küche kommt es zum Showdown, allerdings ganz anders, als die Rettungssanitäterin fürchtet: Vor ihr steht ein Räuber auf vier Pfoten - ein junger, klapperdürrer Fuchs, der durch die Katzenklappe ins Haus gelang ist und Page, die ihn befreien will, eine Fingerkuppe abbeißt.

Dies ist nur der jüngste Vorfall in einer ganzen Reihe von Missverständnissen zwischen Stadtmensch und Wildtier: Vergangenen Sommer hat ein Fuchs neun Monate alte Zwillingsbabys in der Wiege attackiert und schwer verletzt. Das Tier war durch die Terrassentür ins Haus gekommen. Der Hauskatze einer Familie wurde im Garten der Kopf abgebissen, und in Brighton zwackte ein Rotrock einen Jungen auf dem Spielplatz. Rund 15.000 wilde Füchse tummeln sich mittlerweile allein in der Hauptstadt.

"Füchse sind keine Schädlinge"

Wer die Tiere weniger putzig findet, bucht einen Wildlife-Manager wie Bruce Lindsay-Smith - und das möglichst heimlich. Denn die Pro-Fuchs-Lobby ist riesig und die Frage, ob die Tiere mittlerweile für London zum Problem geworden sind, ein Politikum. Der Nationale Wohlfahrtsverband für Füchse nimmt die Vierbeiner in Schutz - ebenso wie viele der Stadtteilverwaltungen.

In Richmond im Süden Londons werden Ratsuchende, denen martialische Brunftschreie der Tiere und ruinierte Blumenbeete auf die Nerven fallen, schon auf der Gemeinde-Website abgeblockt: "Füchse sind keine Schädlinge", belehrt die Verwaltung, "sondern Teil der Fauna."

Um Proteststürme von Tierliebhabern zu umgehen, sind Fänger und Scharfschützen vor allem in den Weihnachtsferien in den Pausenhöfen von Kitas und Schulen aktiv gewesen. Der offiziellen Version, dass die Fuchspopulation immer die gleiche bleibe und sich selbst reguliere, widerspricht der Fänger Lindsay-Smith indes deutlich: Während die zotteligen Gesellen vor 20 Jahren eine seltene Erscheinung in der Innenstadt waren, gehen ihm heute oft bis zu zehn Exemplare in einem einzigen Garten in die Falle.

Dass sich jüngst ein Brunnenbauer in Westlondon die Couch mit einem sehr beharrlichen Fuchs teilen musste, sei zwar noch selten. "Doch der Fuchs hat sich so gut an den Menschen gewöhnt, dass er langsam anfängt, sich wie ein Haustier zu verhalten", warnt Lindsay-Smith.