Besonders die Windkraft hat in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt. Foto: dpa

Fehlende Speichermöglichkeiten für Ökostrom bremsen die Energiewende. Dieses Problem treibt nicht nur den Nobelpreisträger Robert Laughlin um. Auch Wissenschaftler aus Baden-Württemberg suchen intensiv nach Lösungen.

Stuttgart - Die Grafik an der Wand zeigt eine erfreuliche Entwicklung – nämlich den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien am weltweiten Verbrauch. Besonders die Windkraft hat in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt. „Die Wind-Leute können das“, sagt Robert Laughlin. Doch der weitere Ausbau der Ökostromproduktion, der als wichtiger Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele gilt, könnte schon bald an eine Grenze stoßen, befürchtet der Physiknobelpreisträger des Jahres 1998.

 

Denn Wind- oder Solarstrom fließen nun mal nicht so gleichmäßig wie Strom aus fossilen Kraftwerken oder Atomreaktoren. Das kann sogar dazu führen, dass bei hohem Windanfall der Preis für eine Kilowattstunde zeitweise negativ wird, während in einer Flaute große Mengen an elektrischer Energie fehlen. Je höher der Anteil von Wind- und Solarstrom, desto schwieriger wird es für die Netzbetreiber, ihre Abnehmer rund um die Uhr mit Strom zu versorgen.

In der Fachwelt herrscht deshalb Einigkeit darüber, dass der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien gewaltige Investitionen in leistungsfähige Energiespeicher erfordert. Doch welche Speichertechnik ist die beste – Pumpspeicherkraftwerke, Batterien oder Wasserstoff und andere energiereiche Chemikalien, die mithilfe von Ökostrom erzeugt werden? Für Laughlin ist klar: „Hitze ist die Antwort“, sagte er kürzlich bei einem Vortrag an der Universität Stuttgart. Der Forscher setzt also auf die Speicherung von elektrischer Energie in Form von Wärme. In Fachkreisen ist dieses Prinzip auch als Carnot-Batterie bekannt.

Hocheffiziente Wärmepumpe

Dabei wird Strom, der gerade nicht benötigt wird, über eine hocheffiziente Wärmepumpe in Wärme verwandelt (siehe Grafik). Diese lässt sich in einem geeigneten Medium auch für mehrere Tage oder Wochen speichern. Wird mehr Elektrizität benötigt, als Windräder oder Fotovoltaikmodule aktuell liefern können, läuft der Prozess in umgekehrter Richtung ab. Dann wird die Wärme genutzt, um über eine Turbine einen Generator anzutreiben – ganz ähnlich wie in einem Kohle- oder Gaskraftwerk.

Eingesetzt werden Wärmespeicher zum Beispiel in thermischen Solaranlagen. Ein Beispiel dafür sind die Andasol-Kraftwerke in Spanien. Während Fotovoltaikanlagen direkt aus Sonnenlicht Strom produzieren, wird in thermischen Solarkraftwerken Öl mit Sonnenlicht erhitzt und über einen Wärmetauscher geleitet, um Wasserdampf zu gewinnen. Dieser treibt dann Turbinen zur Stromerzeugung an. Ein Teil des heißen Öls wird abgezweigt und erhitzt ein Flüssigsalzgemisch aus Natrium- und Kaliumnitrat. Die so gespeicherte Wärme lässt sich wieder abrufen und reicht für 7,5 Stunden Volllastbetrieb – unabhängig von der Sonneneinstrahlung. So kann die Anlage rund um die Uhr Strom liefern.

Dasselbe Salzgemisch, das auf bis zu 600 Grad erwärmt werden kann, will Laughlin auch in dem von ihm konzipierten System einsetzen, für das er bereits mehrere Patente hält. Der einzige Unterschied wäre, dass das Speichermedium nicht wie bei Andasol durch Sonnenwärme erhitzt wird, sondern durch die Umwandlung von elektrischem Strom. Auf dieses Weise ließe sich auch bei Windparks eine gleichmäßigere Stromlieferung erreichen. Theoretisch können thermische Speicher einen Wirkungsgrad von 100 Prozent erreichen. In der Praxis seien rund 70 Prozent drin, so Laughlin. Es gingen also etwa 30 Prozent der gespeicherten Energie verloren. Moderne Batterien haben zwar einen Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent, könnten aber kaum die nötige Speicherkapazität bereitstellen. Zudem sind sie teuer. Daran wird sich laut Laughlin auch nicht viel ändern, weil die erforderlichen Rohstoffe wie Lithium begrenzt sind.

Erster Prototyp in zwei Jahren

Sein eigenes System soll deutlich kostengünstiger sein und sogar die günstigen Pumpspeicherkraftwerke schlagen. Laughlins System hat allerdings den kleinen Nachteil, dass es bis jetzt noch nicht existiert. „So Gott will, gibt es bis in zwei Jahren einen Prototypen“, sagt Laughlin. Als weitere Vorteile seines Konzepts nennt der 67-Jährige eine hohe realisierbare Speicherkapazität und eine im Vergleich zu Batterien deutlich höhere Lebensdauer. Zudem sei der Platzbedarf niedriger als bei einem Pumpspeicher, für den große Stauseen gebraucht werden.

Dass der Nobelpreisträger und Buchautor („Der Letzte macht das Licht aus“) ausgerechnet in Stuttgart über seine Ideen für eine saubere Energieversorgung sprach, ist kein Zufall, denn die Universität Stuttgart will zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in großem Maßstab in die Erforschung thermischer Speicher einsteigen. Dazu haben die drei Einrichtungen vergangene Woche im Beisein Laughlins eine Absichtserklärung zum Aufbau der Forschungsplattform „Nadine“ unterzeichnet. Der Begriff steht für Nationaler Demonstrator für Isentrope Energiespeicher. Isentrop bedeutet, dass die Speicherung in geschlossenen Systemen abläuft – ohne Wärme- oder Materialaustausch mit der Umgebung. Zumindest in der Theorie geht dabei keine Energie verloren.

In Stuttgart soll der Schwerpunkt auf Nieder- und Hochtemperaturspeichern liegen, die mit bis zu 700 Grad Celsius arbeiten. Die Karlsruher Kollegen wollen sich dagegen auf den Höchsttemperaturbereich konzentrieren, in dem beispielsweise auch flüssige Metalle als Speichermedium eingesetzt werden. Derzeit kümmern sich die Partner im Rahmen eines 18-monatigen Projekts, das vom Land Baden-Württemberg und dem Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, um die Planung der Versuchseinrichtungen. Danach soll es an die praktische Umsetzung gehen.

Viele Möglichkeiten zur Energiespeicherung

Problem Für einen stabilen Netzbetrieb muss genauso viel Strom eingespeist werden, wie aktuell benötigt wird. Mit konventionellen Kraftwerken gelingt das relativ einfach. Die Stromproduktion von Wind- und Solaranlagen schwankt dagegen stark. Deshalb werden konventionelle Kraftwerke in Bereitschaft gehalten, die bei Bedarf einspringen. Besser fürs Klima sind Energiespeicher, die Ökostrom für magere Zeiten bunkern.

Pumpspeicher Sie nutzen Stromüberschüsse, um Wasser auf ein höheres Niveau zu pumpen. Bei Bedarf läuft das Wasser nach unten und treibt Turbinen an. Die Kapazität reicht nur für den Ausgleich kurzfristiger Schwankungen.

Power-to-Gas Hier wird Strom in Wasserstoff, Methan oder andere energiereiche Stoffe verwandelt. Diese lassen sich lange und in großen Mengen verlustfrei speichern – und entweder direkt nutzen oder wieder in Strom verwandeln.

Thermische Speicher Sie verwandeln Strom in Wärme und bei Bedarf wieder in Strom. Zudem können sie Wärme aus anderen Quellen nutzen – etwa die Abwärme von Fabriken oder Rechenzentren.

Batterien Sie haben einen hohen Wirkungsgrad, sind aber vergleichsweise teuer und halten nur begrenzte Zeit.