Das Schicksal der Menschenwelt liegt in den Händen eines zur Härte erzogenen Kindes: Asa Butterfield in "Ender’s Game". Foto: Constantin

Erbarmungsloser Drill für Minderjährige: „Ender’s Game“ ist ein Science-Fiction-Spektakel über Kinder im Krieg gegen insektoide Außerirdische.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Ender's Game"

Stuttgart - Ender Wiggin steht am Regiepult, dirigiert die größte irdische Weltraumflotte aller Zeiten und steht einer erdrückenden außerirdischen Übermacht gegenüber: Das Schicksal der Menschheit liegt in den Händen eines Kindes. Ender tut, wozu er ausgebildet worden ist, opfert Schiffe und Leben, wenn es dem großen Ganzen dient. Noch ist es nur eine Generalprobe, noch die Entscheidungsschlacht nur ein gigantisches Videospiel.

» Trailer zu „Ender's Game“

» Kino Stuttgart: Wann und wo „Ender's Game“ läuft, finden Sie hier.

Das Science-Fiction-Spektakel „Ender’s Game“ hat visuell einiges zu bieten vom Sternenkrieg über eine spektakuläre Trainingsstation im All, in der die junge Militärelite ausgebildet wird – doch es ist eingeklemmt zwischen starker Konkurrenz: Und während in „Pacific Rim“ erwachsene Soldaten die Erdenrettung freiwillig auf sich nehmen und in „Die Tribute von Panem“ eine wüste Diktatur Kinder zum Morden zwingt, ist „Ender’s Game“ eine Geschichte über Manipulation und erbarmungslosen Drill an Minderjährigen.

Der ehrwürdige Colonel Graff wirbt den kleinen Ender an, weil er in ihm besonderes Potenzial erkennt. Zehn Jahre zuvor haben die insektoiden Formics die Menschheit beinahe besiegt, nun droht die nächste Invasion – und Ender könnte der Auserwählte sein, der sie stoppt. Im Trainingscamp im All leben Kinder und Jugendliche in Kampfverbänden, in denen gnadenlose Konkurrenz herrscht, und sie proben in einer kugelförmigen Kampfarena bei einer Art elektronisiertem „Paintball“-Spiel schwerelos den Ernstfall. Ender ist der Kleinste – aber er verfügt über außergewöhnliche taktische Fähigkeiten und eine Auffassungsgabe, die ihn schnell zum Anführer aufsteigen lassen: Mal wehrt er sich Auge in Auge gegen stärkere Rivalen, mal gewinnt er mit einem genialen Kniff in der Kriegssimulation.

Der gute Onkel Graff entpuppt sich als beinharter Darwinist, der Ender durch ein Stahlbad der Entfremdungen und Frustrationen schickt, um ihn zu härten – eine Strategie, wie man sie aus den „Napolas“ kennt, den Eliteschulen der Nazis. Tatsächlich wird die Vorlage, der Roman von Orson Scott Card aus dem Jahr 1985, als Lektüre von US-Militärs empfohlen, auch bei den Marines.

Asa Butterfield (16, „Hugo Cabret“) überzeugt auch in der Harry-Potter-Rolle als Ender, der sich durchbeißt, mal zitternd vor Wut, mal eiskalt Truppen dirigierend, mal in Embryonalstellung in seiner Zelle kauernd. Hailee Steinfeld („True Grit“) als loyale Mitstreiterin Petra Arkanian gibt sein empathisches Gegenstück, das in einer solchen Welt allerdings wohl eher untergehen würde.

Dem einst genialen Minimalisten Harrison Ford („Star Wars“, „Indiana Jones“) scheint die eindimensionale Rolle des selbstgerechten, mitleidlosen Schleifers nicht recht zu behagen. Besonders dubios wirkt der Auftritt von Ben Kingsley als Alien-Kriegsveteran: Mit tätowiertem Gesicht macht er penetrant auf bedrohlich, betritt als Enders letzte Herausforderung die Szenerie – und entpuppt sich als Fehlalarm.

Wer ist der wahre Feind? Um diese Frage dreht sich alles, um Lügen und Manipulation, um eine Kultur, die Helden fälscht, damit die Kriegsbegeisterung nicht nachlässt. Die Antwort freilich ist hanebüchen, so fein die Aliens auch am Computer modelliert sein mögen. Da war die Satire „Starship Troopers“ (1997) inhaltlich wesentlich weiter, in der faschistoide Erd-Soldaten gigantische All-Insekten abschlachten – von der genialen Videospiel-Satire „Ralf reicht’s“ (2012) ganz zu schweigen, die das Thema noch feiner ins Visier nimmt.

Für die militärisch gedrillten Kinder kommen Mitgefühl und Barmherzigkeit ohnehin zu spät. Und es bleibt offen, wieso Minderjährige die Welt retten sollen, wenn sich im Kontrollzentrum der Eliteschule doch so viele ausgewachsene angebliche Helden herumtreiben. Sicher ist nur eines: Was der kleine Ender und seine Altersgenossen hier durchleben, ist alles, nur kein Spiel.

Was sonst noch im Kino in Stuttgart läuft, finden Sie in unserem Kino-Programm.