Evi Hartmann ist Wirtschaftsprofessorin und Buchautorin. Foto: Campus Verlag

Wie viel Karrieredenken ist gesund, wann wird Egoismus zum Problem? Ist die Teamarbeit am Ende? Die Wirtschaftsprofessorin und Autorin Evi Hartmann spricht über Leistung, Egomanen, Blender und Ellenbogen.

Stuttgart - Die Wirtschaftsprofessorin Evi Hartmann kennt sich aus mit Karriereplänen, Egoisten und Leistungsverweigerern. In ihrem Buch „Ihr kriegt den Arsch nicht hoch – Über eine Elite ohne Ambition“ (Campus) spuckte sie vor einigen Monaten förmlich Galle. Statt durch Performance, würden sich viele Arbeitnehmer eher durch Posen auszeichnen und die Arbeit andere machen lassen. Wir haben mit der Autorin über Probleme bei der Teamarbeit und das Nervige an Egoisten gesprochen.

 

Ist die Teamarbeit ohne Hierarchie ein Auslaufmodell, eine Art frommer Wunsch?

Wenn wir die Praxis betrachten, lautet die Antwort leider zu oft: Ja. Bedauerlicherweise. Das Team macht die Arbeit, aber der Kollege mit den spitzesten Ellbogen präsentiert die Ergebnisse und erntet die Lorbeeren. Und im Team selbst setzt sich oft nicht der oder die Kompetenteste durch, sondern der oder die mit der größten Klappe. Selbst in homogenen Teams etabliert sich meist schon in der ersten Teamsitzung eine informelle, aber rigide Rangordnung: Oben die Selbstdarsteller und Egoisten, unten die Schaffer, Macher und eigentlichen „Teamarbeiter“.

Schlägt die Stunde der „Macher“, wenn die anderen versuchen, im Team abzutauchen?

Auf jeden Fall – aber das nutzt den Machern ja wenig, wenn es nachher doch wieder die Abgetauchten sind, die dann pünktlich wieder auftauchen: Wenn es nämlich darum geht, die Beute zu verteilen und die Karriere-Punkte zu ernten. Selbstdarstellung ist das Instrument der Egomanen.

Ist das „Abtauchen“ ein Generationenproblem?

Das wäre schön! Dann könnte man die Leute vorwarnen und zum Beispiel sagen: „Trau keinem über 45!“ Oder: „Alles was unter 32 ist, fällt unter den Abtauch-Vorbehalt!“ Leider ist dem nicht so. Die Misere ist generationenübergreifend. Von den Azubis in der Lehrwerkstatt bis hinauf auf Vorstandsebene finden Sie immer wieder Leute, die immer dann zuverlässig abgetaucht sind, wenn es darum geht, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Das Abtauchen ist kein Problem der Generation, sondern der Persönlichkeitsprädisposition. Es gibt tatsächlich die Abtauch-Persönlichkeit. Man kennt sie. Seit Jahrhunderten. Deshalb ist der deutsche Wortschatz reich an Synonymen für solche Persönlichkeiten: Egoisten, Egomanen, Egozentriker.

Sie benutzen den Begriff „Leistungselite“. Wodurch zeichnet diese sich aus?

Durch echte Leistung im Gegensatz zur Selbstdarstellung. Die Leistungselite bringt die Sache voran. Zum Beispiel den Schutz der Umwelt – während andere hauptsächlich diskutieren oder protestieren. Die Leistungselite arbeitet an Leistung, damit die eigentliche Sache vorankommt. Die Pseudo-Elite arbeitet auch, aber vornehmlich, damit die eigene Sache vorankommt. Leistungselite sind alle, die genau das leisten, was sie leisten können. Selbst wer schwach ist und wenig kann, ist Leistungselite, wenn er das wenige voll einbringt – für die gute Sache, nicht vornehmlich für die eigenen Interessen.

Wo sehen Sie die Schnittmenge aus „Verantwortung übernehmen“ und „Egoismus“?

Ich sehe die Schnittmenge dort, wo es die eigentliche Sache voranbringt. Wir kennen das doch: Der Feinstaub muss raus aus der Luft – aber die meisten debattieren und kritisieren bloß, besetzen aber die entscheidenden politischen und wirtschaftlichen Positionen. Also muss sich ein Mensch, der wirklich was bewegen will, mit gesundem Egoismus wappnen. Nur so kann er die nötige Verantwortung erringen. Nur so kann er die Blender und Schwätzer auf ihren Platz verweisen und sich jene Verantwortung sichern, die nötig ist, um die Dinge zu bewegen.

Wie wichtig sind Ellbogen bei der Karriereplanung?

Leider sehr wichtig. Natürlich spielen auch objektiv überprüfbare Kompetenz, Leistungswille, Vernetzung nach oben und nachweisbare Erfolge eine Rolle. Doch unter zwei gleich kompetenten Bewerbern setzt sich in aller Regel – es gibt wunderbare Ausnahmen – der- oder diejenige mit den spitzeren Ellbogen durch. Ich finde das nicht gut, aber das ist die heimliche Spielregel in großen Teilen des Business. Das Verrückte daran ist nicht die heimliche Spielregel an sich, sondern dass sie mit einer nur schwer zu widerlegenden Begründung in der Wirtschaftspraxis legitimiert wird: Kapitalismus ist kein Kindergeburtstag. In hart umkämpften Märkten mit gesunder Konkurrenz braucht es tatsächlich manchmal spitze Ellbogen, um sich am Markt zu etablieren. Also vergeben viele Führungskräfte Beförderungen dementsprechend auch nach Ellbogen-Härte.

Die Helden in Filmen und Serien operieren oftmals am äußersten Rand von Regeln und Gesetzen, um Großes für die Gemeinschaft zu schaffen. Sind das gute Vorbilder?

Ja – was ihre Motivation und Volition, die Beharrlichkeit in der Durchführung, angeht. Und tatsächlich muss man, um in unseren arthritischen Zeiten, in denen eine Baugenehmigung oft länger dauert als der Bau selbst, alle Spielräume bis zum Äußersten ausschöpfen, wenn man überhaupt noch etwas bewegen möchte – und das auch noch rechtzeitig. Aber wenn sogenannte Helden die Grenze überschreiten und Regeln und Gesetze tatsächlich brechen, lautet ihre Botschaft doch: Der Zweck heiligt die Mittel, das Ergebnis entschuldigt die Regelverletzung. Damit kann jeder Dilettant jede Regelverletzung damit begründen, dass er damit doch nur das Beste wollte. Dadurch wird das vorgebliche Helden-Vorbild zum Vorbild für Anarchie und grandiose Selbstüberschätzung.