Louise Lecavalier (hier in ihrem Tanzstück „Stations“) erarbeitet ein Solo für das „Elements“-Programm von Gauthier Dance. Foto: André Cornellier/AC

Louise Lecavalier ist eine Art Popstar des Tanzes und stand schon mit David Bowie auf der Bühne. Für die Premiere von Gauthier Dance bringt sie das Element Luft in Bewegung.

Wenn die Tänzerin einer Kompanie als „Frontfrau“ bezeichnet wird, dann ahnt man, wohin die Reise geht. Tatsächlich hat Louise Lecavalier schon in Stadien und vor sehr viel Publikum getanzt, Anfang der 1990er Jahre war sie mit David Bowie auf der „Sound+Vision“-Tour. Edouard Look, der kreative Kopf der kanadischen Kultkompanie La La La Human Steps, in der Louise Lecavalier der Star war, hatte Bowies Tour mitkonzipiert und war ihr künstlerischer Leiter.

So etwas wie eine Pop-Ikone des Tanzes ist die Kanadierin aus Montreal. In der Lobby ihres Hotels treffen wir eine ausgesprochen charmante Künstlerin, deren drahtige Statur und hellblonde Lockenmähne nach wie vor als Erkennungszeichen taugt. In Stuttgart ist Louise Lecavalier, weil sie eine Choreografie zur nächsten Premiere von Gauthier Dance beisteuert.

Gauthier Dance bei einem Gastspiel 2018 in Montreal mit Louise Lecavalier (Mitte knieend) /Holger Reuker

„Elements“ heißt der Abend und ist den vier Urkräften Feuer, Wasser, Erde, Luft gewidmet. Zündeln wird die israelische Choreografin Sharon Eyal; in einen dynamischen Fluss kommt der Grieche Adonis Foniadakis, geerdet lässt der Italiener Mauro Bigonzetti tanzen.

Die Flugstunden einer Tänzerin

Dass sich Louise Lecavalier um die Luft kümmert, passt. Als Frontfrau von La La La Human Steps waren horizontale Pirouetten ihre Spezialität, die auch in der Flugakrobatik eine Rolle spielen und dort Fassrollen heißen. „Ether“ taufte die Choreografin ihr Tanzstück. „Ich will einen Schritt hinter die Atmosphäre machen“, sagt sie. Das Leichte, Ätherische schwingt im Titel mit, aber auch die Beklemmung eines unendlich weiten, luftleeren Raums.

Wie füllt man allein eine riesige Bühne?

Auf der Tour mit David Bowie hat sie erfahren, was es für eine einzelne Tänzerin heißt, eine riesige Bühne zu füllen. „Das Publikum ist so weit weg. Du pumpst Luft und so viel Energie in dich, wie geht, und versuchst, jede Bewegung so groß wie möglich zu machen. Damals habe ich nur zugestimmt, weil ich David Bowie als Künstler mochte“, sagt die Kanadierin, die seit ihrem Ausstieg bei La La La Humans Steps Ende der 1990er Jahre auf kleine Formate setzt.

Die Premiere bei Gauthier Dance an diesem Donnerstag ist für Louise Lecavalier eine doppelte. Erstmals choreografiert sie für andere und wird nicht selbst mit auf der Bühne tanzen. „Die Anfrage hat mich sehr nervös gemacht. Normalerweise lehne ich solche Angebote ab und habe auch zu dem von Gauthier Dance zuerst nein gesagt“, sagt die Kanadierin und fügt hinzu: „Aber Eric war sehr überzeugend.“

Eine, die es sich nicht leicht macht

Gezögert hat Louise Lecavalier, da sie es sich ungern leicht macht und Zeit für die Entwicklung einer Choreografie braucht. Nur alle drei bis vier Jahre bittet sie zur Premiere. „Ein neues Tanzstück heißt für mich, meine Tanzsprache von Grund auf anders zu variieren – als würde ich ein neues Buch schreiben“, erklärt sie und wirkt im Gespräch nachdenklich und ruhig wie ein Mensch, der Stress meidet. Ein Kompromiss machte letztlich möglich, dass sie Teil von „Elements“ wurde: Für „Ether“ überarbeitet und kürzt sie ihr rund 30-minütiges Solo aus dem Stück „So blue“, das 2012 in Düsseldorf Premiere hatte.

Louise Lecavalier /Massimo Chiaradia

„Meine erste Idee war, für dieses Solo eine männliche Besetzung zu wählen, weil die meiner eigenen körperlichen Konstitution am ehesten entspricht“, sagt die Künstlerin, die sich auf alten Porträtfotos mit Kurzhaarfrisur und zugewandter Haltung betont maskulin präsentierte. Neben den beiden Herren brachte die Dynamik einer Tanzkompanie auch eine weibliche Tänzerin ins Spiel. Nun wird bei der Premiere Anneleen Dedroog „Ether“ tanzen.

Louise Lecavalier (mit Kapuze) bei Proben Foto: GD/Jeanette Bak

Quasi auf das eigene Spiegelbild zu schauen, ohne selbst zu tanzen, ist für Louise Lecavalier eine neue Herausforderung. „Ich kann mich gut davon trennen, es ist nun Annaleens Stück. Aber beim Zuschauen löst es in mir Reflexe aus, als ob ich selbst auf der Bühne wäre“, sagt Louise Lecavalier und lacht.

Als Tänzerin war Lecavalier in Stuttgart zuletzt beim Colours-Festival 2017 zu erleben. Damals ging sie in dem Stück „Battleground“ als eine Kämpferin auf die Bühne, die sich vor Energie berstend in den Tanz wirft. Die Frage, ob sie nach wie vor selbst tanzt, wirkt beim Blick aufs athletische Gegenüber fast unhöflich, doch der Lebenslauf sagt Jahrgang 1958. „Ich fühle mich so stark wie noch nie“, lautet die Antwort von einer, die sich auf der Bühne nicht schont, die knallharte Fragen stellt und mit dem Körper nach Antworten sucht. „Ich versuche, die Grenzen immer weiter zu verschieben. Das nächste Stück ist immer das wichtigste“, sagt Louise Lecavalier.

Nächste Premiere in Düsseldorf

Etwas sei aber immer gleich geblieben, betont sie – ihre Ängste: „Schon bei der kleinsten Verletzung befürchte ich, dass sie das Ende meiner Karriere bedeutet.“ Die Rückenschmerzen, mit denen sie in Stuttgart landete, sind zum Glück mit Geduld und Yogamatte auskuriert. Und so steht der nächsten Premiere der Tänzerin Louise Lecavalier vorerst nichts im Weg: Im Dezember wird sie im Tanzhaus NRW in Düsseldorf ein neues Solostück präsentieren.

Info

Termin
„Elements“ mit Gauthier Dance hat am 29. Februar, 20 Uhr, im Theaterhaus Premiere. Die erste Staffel bietet neun Vorstellungen bis zum 10. März. Weitere folgen vom 15. bis 18. Mai.