Tabea Dölker Foto: Pressestelle Ev. Landeskirche

Die Protestantin Tabea Dölker begrüßt die Wahl von Nikolaus Schneider zum EKD-Chef

Hannover - Die einzige württembergische Vertreterin in der Führungsspitze der Evangelischen Kirche in Deutschland, Tabea Dölker (52) aus Holzgerlingen, sieht in Nikolaus Schneider keinen Krisenmanager, sondern einen geistlichen Leiter, der neue starke Impulse setzt.

Frau Dölker, zuletzt hat man wenig von der EKD gehört. Hat es den Protestanten nach dem Abgang von Margot Käßmann und Wolfgang Huber die Sprache verschlagen?

Es muss uns zugestanden werden, dass wir über diese zahlreichen Veränderungen nachdenken und uns inhaltlich und personell neu ordnen mussten. Nicht sprachlos waren wir in der Missbrauchsdebatte, bei der wir innerhalb der Kirchen viel in Bewegung gesetzt und uns um große Transparenz nach außen bemüht haben. Hier haben wir uns sehr deutlich positioniert.

"Tritt frisch auf, tu's Maul auf", hat der Reformator Martin Luther seinen Mitchristen einmal mit auf den Weg gegeben. Kommt Nikolaus Schneider dieser Aufforderung in den kommenden Jahren noch deutlicher nach?

Er wird in den kommenden Jahren mit Sicherheit gut hörbar und selbstbewusst, auch im Namen des EKD-Rates, auftreten. Er ist eine richtig gute Wahl. Nikolaus Schneider hat das Amt in schwieriger Zeit mit einigen Krisenphasen übernommen. Ich möchte ihn aber nicht als Krisenmanager bezeichnen, sondern als geistlich Leitenden.

Kann Schneider die großen Fußstapfen von Käßmann und Huber ausfüllen?

Es ist nicht fair, Fußstapfen miteinander zu vergleichen. Man sollte jedem neue Wege zugestehen, auch in der Art, wie er Dinge anpackt. Eine Frau Käßmann ist einmalig, ein Herr Huber ist einmalig, und es muss auch Nikolaus Schneider einmalig bleiben dürfen.

War 2010 ein schwarzes Jahr für die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland?

Es war zweifelsohne ein schwieriges Jahr mit den Rücktritten von Margot Käßmann, Bischöfin Maria Jepsen in Hamburg und Diakonie-Präsident Klaus-Dieter Kottnik sowie den weiteren Problemen der Diakonie. Es ist auch Christen nicht verheißen, dass sie nur auf der Sonnenseite des Lebens gehen. Darum gilt es für uns schwierige Zeiten miteinander zu bestehen.

Welches sind die größten Projekte für Schneider in seiner Amtszeit bis 2015?

Wir müssen den Reformprozess der Kirche weiter vorantreiben und in die Fläche tragen. Er muss vor Ort ankommen in den Gemeinden, bei unseren Pfarrern und Gemeindemitgliedern. Sie dürfen die Reform nicht als eine Bedrohung empfinden, sondern als eine Einladung zum Mitmachen. Das zweite große Projekt ist das Reformationsjubiläum 2017. Das ist eine Wahnsinnschance, die einem in 500 Jahren nur einmal geboten wird.

Zu den Herausforderungen der jüngeren Zeit gehört die Präimplantationsdiagnostik (PID) mit Embryonentests. Hier vertritt Schneider eine wesentlich liberalere Haltung als etwa der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich. Droht der Kirche eine Spaltung?

Wir wollen uns in diese Diskussion offensiv einbringen, werden bei diesem Thema aber wohl nicht in einer ganz eindeutigen Sprache sprechen können - so sind wir halt als Protestanten. Die württembergischen Landessynodalen werden dem Ratsvorsitzenden und der Präses dazu heute eine Erklärung übergeben, die sehr stark darauf abzielt, dass es keine Aufweichung des Verbots der PID geben sollte. Zumal es schwer werden würde, einen sehr engen Korridor diagnostischer Möglichkeiten zu bestimmen. Am Ende steht die Frage: Sind wir Geschöpfe oder Schöpfer?