Meisterin der Zwischentöne: Ekaterina Litvintseva Foto: Agentur

In ihre Jubiläumssaison startete die seit 20 Jahren in Stuttgart verankerte Konzertreihe „Wiener Klassik“ mit einem reinen Beethoven-Programm - und einer bemerkenswerten Pianistin, der Russin Ekaterina Litvintseva.

Stuttgart - Seit jetzt zwei Jahrzehnten füllt die Reihe „Wiener Klassik“ den Stuttgarter Beethovensaal mit Programmen, in denen kein Zuhörer Begegnungen mit Modernem oder gar Zeitgenössischem befürchten muss. Auch beim Auftaktkonzert der Jubiläumssaison am Dienstagabend sorgte die mit guten Nachwuchsmusikern besetzte Klassische Philharmonie Bonn unter der Leitung von Heribert Beissel mit einem reinen Beethoven-Programm wieder für eine interpretatorische Qualität, die, weil sie Überraschungen mied, ebenfalls etwas freundlich Ungefährdetes hatte.

Als Solistin in Beethovens viertem Klavierkonzert bewies Ekaterina Litvintseva ein gutes Gespür für lyrische Zwischentöne. Wie die 29-jährige Russin in der Durchführung des ersten Satzes das Thema auf subtile Weise auflöst, wie sie hier Figurationen in den Fluss des Ganzen einbindet und wie sie mit einzelnen Soloinstrumenten des Orchesters Dialoge ausspinnt: Das ist fein gedacht und gemacht. Auch das Finale klingt bei Litvintseva so zurückgenommen, wie es klingen muss – ja, gelegentlich leistet sich der grimmige Titan bei ihr sogar ein kurzes, mildes Lächeln. Dass bei manchen raschen Passagen nicht jede Note klingt und korrekt sitzt, kann man wahr-, muss man aber nicht allzu wichtig nehmen.

Zum Schluss Beethovens vierte (und vielleicht romantischste) Sinfonie, die das Orchester hörbar am intensivsten geprobt hat. Das klingt gut. Leider nur hat Heribert Beissel dem dritten und vierten Satz auch alles Widerborstige ausgetrieben. Das spielerisch Unwirsche des Wechsels zwischen gerader und ungerader Taktzeit im Scherzo und die Dramaturgie des Unerwarteten im Finale bleiben unterbelichtet. Aber wenn der Titel „Wiener Klassik“ kein Etikettenschwindel sein soll, dann passt der solchermaßen angepasste große Unangepasste so immerhin ganz prima hinein.