Wie es aussieht, müssen Christl und Hubert Hatwig ihr großes Fest ohne den Mann feiern, bei dem die Braut ihre Kindheit verbrachte. Denn die deutschen Behörden trauen dem kenianischen Onkel der 25-Jährigen nicht über den Weg.
Eislingen/Nairobi - Es gibt wohl nur wenige Menschen, die so unerschütterlich gut gelaunt sind wie Hubert Hatwig. Der 34-jährige Eislinger arbeitet bei Daimler im Schichtbetrieb und leitet seit Jahren die Budo-Abteilung der Göppinger Turnerschaft. Er ist einer dieser Menschen, die jedem etwas Nettes zu sagen wissen. Jetzt sitzt er im Eislinger Restaurant Adler, schaut auf seine Pizza und erzählt, was ihm an der Vorbereitung des Tages, der der schönste seines Lebens werden soll, seit anderthalb Jahren die Nerven raubt.
Hatwigs große Liebe, Christl, ist Kenianerin. Schon um sich trauen zu lassen ,musste das Paar ein halbes Jahr lang einen Papierkrieg führen. Jetzt, ein Jahr nach der Trauung, soll endlich die Hochzeit gefeiert werden. Und das hat zu noch mehr Papierkrieg geführt, denn Christl Hatwig will den Mann aus Kenia einladen, der sie als kleines Mädchen aufgenommen und zehn Jahre lang wie sein eigenes Kind behütet hatte, bevor sie mit 15 ihrer Mutter nach Deutschland folgte. Davis Thoya Iha heißt der 41-Jährige, den sie als Vater betrachtet, auch wenn sie nicht blutsverwandt mit ihm ist. Sie nennt ihn Onkel.
Viele Besprechungen mit der Standesbeamtin
Normalerweise braucht man zum Heiraten nicht viel, Pass und Geburtsurkunde reichen. Doch wie immer mehr Paare im Land haben die Hatwigs das Problem, dass die eine Hälfte der Lebens- und Liebesgemeinschaft zwar schon lange mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in Deutschland lebt, aber nicht aus der EU stammt. „Ich habe schon manchmal gedacht, ich kriege ein Burn-Out“, sagt Hubert Hatwig. Seine Pizza hat er vor lauter Ärger vergessen.
Abwechselnd mit seiner Frau erzählt er, wie sie vor der Trauung ein halbes Jahr lang immer wieder mit der Standesbeamtin in Eislingen konferiert hätten. „Gott sei Dank war sie sehr hilfsbereit und hat uns genau gesagt, warum wir zum Beispiel eine Erklärung des kenianischen Staats brauchen, dass Christl mich heiraten darf“, sagt er. Seine Frau lächelt. „Ich könnte ja schon mit jemandem in Kenia verheiratet sein. Oder Hubert könnte ein in Kenia gesuchter Terrorist sein.“ Bei dieser Vorstellung müssen beide lachen und haben Zeit für einen schnellen Bissen.
Das Problem mit der Hausnummer
Ein halbes Jahr lang haben die Hatwigs Dokumente hin- und hergeschickt, vom Deutschen ins Englische und vom Englischen ins Deutsche übersetzen lassen. Sie haben sich bemüht, jede einzelne Vorgabe zu erfüllen. Nur einmal mussten sie tricksen. „In der deutschen Botschaft in Nairobi wollten sie unbedingt eine Anschrift mit Hausnummer von dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Dabei wissen die genau, dass es auf dem Land in Kenia oft keine Hausnummern gibt“, erzählt sie. „Und wenn man dann anruft, um das zu besprechen, und überhaupt jemanden erreicht, dann ist da irgendein Tom oder ein Mike. Man hat keine Ahnung, ob man mit einem Sachbearbeiter oder einer Putzhilfe spricht, und seinen Nachnamen verrät sowieso keiner“, schimpft er. Am Ende haben sich die beiden eine Nummer ausgedacht.
Die Hatwigs kommen für alle kosten auf – aber das ändert nichts
„Eigentlich wollten wir Anfang Juli 2017 heiraten und da auch ganz normal die Hochzeit feiern“, erzählt er. „Aber“, fällt sie ihm ins Wort, die Unterlagen für die Trauung zu beschaffen, das Fest vorzubereiten und dann noch den zusätzlichen Papierkram zu erledigen, um den Onkel aus Kenia einzuladen, „das war einfach zu viel. Wir müssen ja auch beide arbeiten.“ Deshalb entschied sich das Paar, die Hochzeit mitsamt der kirchlichen Trauung um ein Jahr zu verschieben. „Wir dachten, dann haben wir richtig viel Zeit.“
Nach der standesamtlichen Trauung ging der Papierkrieg weiter. Wieder wurden Dokumente hin- und hergeschickt und hin- und herübersetzt. Die Hatwigs haben die Verpflichtungserklärung längst unterschrieben, die Deutsche abgeben müssen, wenn sie Besucher aus fernen und vor allem armen Ländern einladen. Das Paar verpflichtet sich damit, für sämtliche Kosten aufzukommen, die durch den Besuch entstehen. Selbst wenn der Onkel in Deutschland untertauchen oder Straftaten begehen würde, die Hatwigs würden bezahlen. Sie haben eine Haftpflichtversicherung für ihn abgeschlossen, falls er etwas kaputt macht, eine Krankenversicherung, falls er krank wird. Genützt hat das alles nichts.
Das Paar klappert vergeblich Behörden in Berlin ab
Drei Mal hatte der 41-Jährige inzwischen einen Termin bei der deutschen Botschaft in Nairobi. Drei Mal wurde das Gespräch nach wenigen Minuten beendet und der Antrag auf ein Visum abgelehnt. Im Ablehnungsbescheid steht: „Ihre Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, konnte nicht festgestellt werden.“ Mit anderen Worten: die Botschaft befürchtet, der Onkel könnte versuchen, in Deutschland unterzutauchen. Weiter wird erklärt, die Botschaft habe eine sogenannte Rückkehrprognose zu erstellen. Die vorgelegten Unterlagen reichten nicht aus, um zu einem positiven Ergebnis zu kommen. Offenbar spielt bei dieser Prognose eine große Rolle, dass Davis Thoya Iha nicht verheiratet ist und als selbstständiger DJ kein regelmäßiges Einkommen bezieht.
Die Hatwigs geben nicht auf. Sie halten die Einschätzung der Botschaft für Unsinn. Vor kurzem war das Paar in Berlin bei der kenianischen Botschaft. Doch dort ist man für kenianische Interessen zuständig. Die beiden waren beim Auswärtigen Amt. Doch dort kümmert man sich um Politik, nicht um Visa. Jetzt haben die Hatwigs zumindest einen Anwalt gefunden, der sich mit der Materie auskennt. „Nachdem ich so ziemlich jeden Anwalt im Kreis angerufen hatte“, wie Christl Hatwig sagt. Ob das jetzt noch etwas nützt, ist offen: Am 4. August ist die Hochzeit.