Leon Draisaitl hofft auf einen NHL-Vertrag Foto: Getty Images North America

Vater Peter war Nationalspieler, Leon Draisaitl hat mehr als nur Talent fürs Eishockey geerbt. Der 18-Jährige wird als deutscher Wayne Gretzky gehandelt, er könnte den Megastar sogar noch überflügeln.

Prince Albert - Wayne Gretzky gilt als der begnadetste Eishockey-Spieler dieses Planeten; dem Megastar wurde als bislang einzigem Ex-Profi die Ehre zuteil, dass seine Rückennummer „99“ für die gesamte nordamerikanische NHL gesperrt ist. Keiner darf die Nummer entweihen, die „The Great One“ einst trug. Und wenn nun, rund 14 Jahre nach dem Karriereende des heute 52-Jährigen, ein junger Mann in Kanada mit dem Beinamen „The German Gretzky“ bedacht wird, sind das große Ehre und eindringliche Verpflichtung zugleich.

Leon Draisaitl heißt der Bursche – er gilt auch in Deutschland als das wohl größte Talent am Puck überhaupt. Wenn einer erst 18 Jahre in den Knochen hat, muss er es erst mal auch wegstecken wie einen harten Check, dass einem von Experten ein solch hochrangiger Name verpasst wird. Der Sohn des früheren Nationalspielers Peter Draisaitl geht damit erstaunlich nüchtern um. „Es ist schön, viel Lob zu bekommen, aber das heißt noch lange nichts“, sagt er, als habe man ihn lediglich für ein gutes Match gelobt, „ich habe nichts erreicht, habe noch keinen Stanley-Cup gewonnen, das ist alles weit weg.“

Besonders über den Vergleich mit „The Great One“ muss der gebürtige Kölner lächeln – er weiß seine eigene Leistung und die des Eishockey-Übervaters einzuordnen. „Ich finde das übertrieben. Niemals wird einer Wayne Gretzky ersetzen, das wird nicht passieren. Das ist ein bisschen zu viel“, sagt Draisaitl mit fester Stimme und tiefer Überzeugung. Aber er könnte zumindest für deutsche Verhältnisse eine einmalige Marke setzen. Und zwar, wenn die NHL im Juni 2014 in Philadelphia beim sogenannten Draft die begehrtesten Talente auswählt, denn dann steht der Name Draisaitl ganz weit oben. Der Mittelstürmer zählt zu den Weltbesten des Jahrgangs 1995. Die Experten gehen fest davon aus, dass Draisaitl unter den ersten zehn aufgerufen wird. „Am liebsten wäre ich der erste Pick“, sagt er.

Die bisher am höchsten gehandelten Deutschen waren Marcel Goc 2001 auf Position 20 und Marco Sturm 1996 auf Rang 21. Der Draft ist in Nordamerika ein großes Medienereignis, vergleichbar mit der Champions-League-Auslosung im Fußball in Europa. In Kanada wird darüber stundenlang live berichtet. „Das ist ein ganz großer Deal“, sagt Draisaitl. Er hatte schon zahlreiche Gespräche mit NHL-Verantwortlichen, erzählt er, und sie würden ihr Interesse auch offen zeigen. Doch grundsätzlich geht es dabei erst einmal ums Abchecken. „Das ist an und für sich nichts Besonderes, die wollen einfach nur einmal wissen, wie du tickst“, sagt der 18-Jährige, der bis 2012 bei den Jungadlern Mannheim spielte.

In den Fokus gerückt ist Draisaitl, seit er in der Provinz Saskatchewan für die Prince Albert Raiders in einer der stärksten Juniorenligen spielt, nun in seiner zweiten Saison. Relativ klein ist das Städtchen mit 35 000 Einwohnern, für einen Teenager wird wenig geboten. „X-Box spielen, manchmal Kino oder Bowlen, aber das war’s“, erzählt Draisaitl. Fast alles dreht sich in der kanadischen Provinz ums Eishockey-Team im Allgemeinen und um den Deutschen im Besonderen, der Topscorer ist. Bestechend an Draisaitl, so urteilen die Scouts, sei vor allem seine Spielmacherqualität. „Er hat alles in seinem Repertoire“, findet auch der deutsche U-20-Nationaltrainer Ernst Höfner, der bei der Junioren-WM in Schweden (26. Dezember bis 5. Januar) mit Hilfe des Ausnahmetalents den Ligaverbleib in der A-Gruppe sichern möchte. „Er hat eine klare Führungsrolle, alle schauen auf ihn“, sagt Höfner.

Bei der WM kann Draisaitl auch noch einmal an seinem Status arbeiten, denn so nüchtern, wie er mit den Lobeshymnen umgeht, so begierig ist er, das Eis in der besten Liga der Welt zu betreten. „Es ist mein großer Traum, nächstes Jahr in der NHL zu spielen. Praktisch seit ich geboren wurde, will ich dort spielen“, sagt er, bremst sich aber selbst gleich wieder ein: „Im Moment sieht es gut aus, aber jeder weiß, wenn du aufhörst zu arbeiten, dann bringt das alles nichts.“ Wayne Gretzky wurde 1977 in der ersten Draft-Runde an dritter Position von den Sault Ste. Marie Greyhounds ausgewählt – vielleicht kann Leon Draisaitl The Great One im Juni sogar überflügeln.