Rainer Bartle vom Buchhaus Wittwer nimmt den Wettbewerb an Foto: Leif Piechowski

Zehn inhabergeführte Einzelhändler in der City feierten am Donnerstag das Einjährige ihrer Wertegemeinschaft. Die Bilanz dieser Platzhirsche: mehr Umsatz, mehr Kundenfrequenz, gute Perspektiven.

Stuttgart - Stuttgarter Einzelhändler feierten. Und zwar im großen Rahmen am Donnerstagabend bei Feinkost Böhm. Zusammen mit Finanzbürgermeister Michael Föll schnitten die Stuttgarter Traditionsgeschäfte eine Geburtstagstorte an. Seit einem Jahr haben sich die zehn inhabergeführten Geschäfte unter dem Dach der City-Initiative Stuttgart (Cis) zusammengeschlossen, um gemeinsam dem härter werdenden Wettbewerb im Einzelhandel zu begegnen.

Konkurrenz ist das Stichwort. Sie kommt von allen Seiten: durch die Händler im Internet, die großen Filialisten und seit ungefähr einem Jahr durch die beiden Einkaufscenter Gerber und Milaneo. Manchem Traditionsgeschäft in der Stadt ging bei diesem Wettbewerb die Puste aus. Zuletzt dem Schreibwarenhändler Haufler am Markt.

Kaufkraft fließt von den Mittelzentren ab

Was also gibt es angesichts dieser Lage zu feiern? Etwa gigantische Umsätze? Bettina Fuchs, City-Managerin und Sprecherin der Stuttgarter Traditionsgeschäfte, lächelt milde und meint: „Wir feiern, dass wir nach diesem Jahr mindestens genauso gut dastehen wie vorher.“ Damit meint sie alle zehn Mitglieder der Vereinigung: Lederwaren Acker, Feinkost Böhm, Hochland Kaffee, Optik Kästner, Korbmayer, Spielwaren Kurtz, Maute Benger, Mußler Beauty, Tritschler und das Buchhaus Wittwer. Rainer Bartle, Wittwer-Geschäftsführer, bestätigt: „Wir stehen durch die Bank besser da als noch vor einem Jahr.“ Umsatz und Kundenfrequenz seien bestiegen.

Fuchs sieht sogar so etwas wie eine Trendwende im Handel: „Die Leute gehen wieder eher in die Stadt.“ Das hörte sich im Herbst 2014 vor der Eröffnung der Center noch ganz anders an. Damals zitterten manche Händler in der City wie das Kaninchen vor der Schlange. Tatsächlich gibt Rainer Bartle zu: „Wir hatten in den ersten drei Monaten nach der Eröffnung des Milaneo Umsatz- und Passantenfrequenz-Rückgänge.“ Doch inzwischen habe sich nicht nur die Neugierde auf den großen Konsumtempel am Bahnhof gelegt, das Milaneo hat seine eigene Kundschaft – aus der Stadt, der Region, ganz Deutschland und aus dem Ausland. „Die Kaufkraft fließt daher weniger aus der Stadt ab“, glaubt Bettina Fuchs, „sondern eher aus den Mittelzentren rund um Stuttgart.“

City bald auf der Überholspur

Rainer Bartle geht noch weiter. Er sieht die City in den kommenden Jahren sogar vor den beiden Einkaufscentern: „Schon jetzt profitiert die untere Königstraße durch die Neuzugänge von TK Maxx sowie Reserved, aber wenn in Zukunft das Dorotheen-Quartier fertig ist und ein entsprechender Mieter im Gebäude von Karstadt einzieht, ist die City auf der Überholspur.“

Um im Bild zu bleiben: Das Milaneo will Bartle links, das Gerber eher rechts überholen. „Über die Entwicklung des Gerber bin ich erstaunt. Es ist ernüchternd zu sehen, dass sich selbst nach den Korrekturen kaum etwas bewegt.“ Soll heißen: Trotz neuen Centermanagements und einer neuen Philosophie bleibe die Kundenfrequenz in dem Einkaufscenter an der Paulinenbrücke sehr überschaubar.

Der Wittwer-Geschäftsführer wagt nicht daran zu denken, wenn nun auch die Verkehrsbedingungen in und rund um Stuttgart weniger chaotisch wären. Die Kritik geht gegen die Stadt, deren Entscheider und Planer Bartle eine „bürgerferne Grundhaltung“ vorwirft: „Hier herrscht doch ein Verkehrswahnsinn. Und was passiert? Nix!“ Im Gegenteil: „Die Zufahrt in die Stadt soll künftig erschwert werden, indem nur noch bestimmte Fahrzeuge mit entsprechenden Plaketten oder Autokennzeichen einfahren dürfen oder gar Maut bezahlen müssen.“

Erschwerte Bedingungen beim Parken

Auch das Parken und das seit Oktober erweiterte Parkraummanagement nimmt er ins Visier: „Wer das Parken in der Stadt immer mehr erschwert, muss parallel dazu den Personennahverkehr und das Parkleitsystem ausbauen.“ Letzteres habe die Stadt „erst nach gefühlt 100 Jahren auf den Weg gebracht“. Bartle wünscht sich für den Handel in der City, „dass die handelnden Personen in der Verwaltung noch bewusster handeln. Denn die Digitalisierung dieser Welt endet nicht an den Stadtgrenzen.“ Ein weiteres Thema, das Rainer Bartle und seine Kollegen aus den Traditionsgeschäften an diesem Abend dem Ersten Bürgermeister Föll persönlich mitteilen konnten. Beim Tortenanschnitt meinte Föll: „Für mich sind die Traditionsgeschäfte wichtige Institutionen in der Handelsszene. Wir brauchen solche Betriebe, um zu den großen und namhaften Filialisten ein Stück Heimat und Identität beizutragen und Stuttgart unverwechselbar zu machen.“ Darauf lässt sich sicher aufbauen.