Baustellen in der Nachbarschaft stören viele Anwohner Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Illegales Wohnen in einem Büro, abstrahlendes Licht von einem geplanten Giebelfenster oder die Luftöffnung in einer Garagenwand: Beim Baurechtsamt gehen jede Menge Einwendungen von Nachbarn ein. Und die werden immer umfangreicher.

Stuttgart - Die Auseinandersetzung in Vaihingen geht schon eine ganze Weile. Ein Anwohner beklagt, dass ein Nachbar auf seinem Grundstück Baugenehmigungen fortwährend missachte. Zuletzt ging es um einen 25 Meter langen Maschenzaun, an dessen Stelle ein massiver Holz- und Blechzaun errichtet worden sein soll. Das Baurechtsamt, so der verärgerte Anwohner, kümmere sich freilich nicht. Die Antwort: Man überwache die Baustelle fortwährend.

Nicht immer sind die Nachbarn einverstanden, wenn in ihrer Nähe gebaut wird. „Etwa jeder zehnte Bauantrag zieht Einwendungen nach sich“, sagt Kirsten Rickes. Die Leiterin des Baurechtsamts rechnet vor, dass das in jedem Jahr etwa 200 bis 300 Bauvorhaben sind. Die bloße Zahl stagniert, zumal die Bauanträge zuletzt eher weniger geworden sind. Sie pendeln zwischen 2600 und 2700 jährlich, in diesem Jahr dürfte eine ähnliche Zahl erreicht werden.

Einwendungen oft fast schon Gegengutachten

Genauso wie bei den Anträgen selbst ist die schiere Zahl aber nicht alles. So, wie die Bauvorhaben im Umfang zunehmen, haben sich auch die Einwendungen verändert. Denn deren Qualität ist eine ganz andere als früher. „Eine Tendenz ist, dass immer mehr Nachbarn ihre Einwendungen gleich von Fachleuten formulieren lassen“, so Rickes. Da werden Architekten, Vermesser oder Anwälte aufgeboten. Oft handle es sich beinahe schon um eine Art Gegengutachten, das da eingereicht werde. Das mache die Bearbeitung für das ohnehin seit Jahren am Anschlag arbeitende Amt schwieriger.

Inhaltlich ist fast alles denkbar. Da gibt es die Befürchtung, ein geplantes Dachfenster könnte zuviel Licht abstrahlen. Den anderen stört eine Luftöffnung in einer Garage. Oder es wird vermutet, jemand nutze illegal ein Büro zum Wohnen. Manchmal spielen dabei alte Rechnungen eine Rolle oder generelle Befürchtungen, ein Wohngebiet könnte sich durch einen Neubau zu sehr verändern.

Oft geht es aber auch um Dinge, für die das Baurechtsamt gar nicht zuständig ist. „Wenn bei einer Baustelle die Wurzeln eines Baums auf dem Nachbargrundstück verletzt werden, können wir deshalb nicht das Vorhaben untersagen“ betont Rickes. Es handle sich dann schlicht um zivilrechtliche Ansprüche, die der Nachbar durchsetzen müsse. Zudem ist das Baurecht streng in der Frage, wer überhaupt womit durchdringen kann. „Einen juristischen Anspruch gibt es nicht so häufig“, weiß die Amtsleiterin.

Bei Gefahr erfolgt Kontrolle sofort

Rickes betont, man gehe „jedem Vorwurf nach“. Wenn Gefahr im Verzug zu sein scheint sofort, in anderen Fällen sobald wie möglich. „Was wir dann veranlassen, ist aber in erster Linie eine Angelegenheit zwischen dem Baurechtsamt und demjenigen, bei dem wir kontrollieren“, so die Amtsleiterin. Das bedeutet, dass aus Datenschutzgründen auch der Beschwerdeführer keine oder nur eine eingeschränkte Auskunft bekommt.

Nicht selten erweisen sich die Einwendungen später als begründet – kamen aber zu früh. „Wir können nicht mit Unterstellungen arbeiten, dass jemand sich nicht an die Vorgaben halten werde“, sagt Rickes. Erst wenn jemand tatsächlich von seiner Genehmigung abweicht, könne man prüfen, ob das rechtmäßig war oder ob ein Rückbau angeordnet werden kann.