Viele Schulen sind in einem schlechten baulichen Zustand. Foto: imago images/brennweiteffm/via www.imago-images.de

Weil bröckelnder Beton die Sicherheit von Kindern und Personal gefährden könnte, hat die britische Regierung mehr als 100 Schulen geschlossen. Es bestehe Einsturzgefahr. Wie sieht es bei Deutschlands Schulen aus?

Zum Schulstart mussten in England dutzende Schulen geschlossen bleiben. Der Grund: Wegen fehlerhaften Betons bestehe Einsturzgefahr. Bröckelnder Putz, undichte Dächer oder unzumutbare Zustände auf den Toiletten gehören auch an deutschen Schulen zum Alltag. 2018 mussten in Hessen zwei Schulen wegen Einsturzgefahr geschlossen werden, wie nh24.de berichtete.

Ein Szenario wie in England sehen Experten für Deutschland derzeit aber nicht. „Eine solche Situation kann ich mir in Deutschland aktuell nicht vorstellen“, sagte Andreas Gerdes, Wissenschaftlicher Leiter Innovation Hub Prävention im Bauwesen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

In England wurde bis in die 1980er Jahre der Beton Reinforced Autoclaved Aerated Concrete (RAAC) für Wände und Böden verwendet. RAAC ist weniger widerstandsfähig als herkömmlicher Beton und neigt dazu, einzustürzen, wenn es nass wird.

Dachabdichtungen in Großbritannien zu lange nicht kontrolliert

Eine Bauweise wie in Großbritannien sei Andreas Gerdes in seinen 45 Jahren in der Branche in Deutschland noch nicht begegnet. Stattdessen sei in Deutschland der Porenbeton AAC (Autoclaved Aerated Concrete) weit verbreitet.

Die Besonderheit bei den Briten sei, so Andreas Gerdes, dass dort eine Bewehrung in Form eines Stahlstabes in die AAC-Elemente eingelegt wurde. Dadurch werde aus dem AAC-Beton ein RAAC-Beton. Wenn man damit wie in Großbritannien Flachdächer baue, funktioniere das nur, solange der Beton trocken bleibe, nicht mit Sauerstoff in Kontakt komme und der pH-Wert stabil sei. Dafür seien in Großbritannien Dachabdichtungen gebaut worden. Diese wurden aber zu lange nicht kontrolliert.

Wenn diese Dachabdichtung altert, undicht wird und dadurch Feuchtigkeit von oben und Sauerstoff von unten eindringt, beginnt die Stahlbewehrung zu rosten, erklärt Gerdes. Der Beton könne sich mit Wasser vollsaugen und schließlich brechen.

Situation in Deutschland mit der in Großbritannien nicht vergleichbar

Zwar gebe es in Deutschland keine vergleichbare Bauweise. „Aber wir können uns deshalb nicht ausruhen“, warnt der KIT-Leiter, „weil die Werkstoffe, die wir eingesetzt haben, nach den gleichen Mechanismen altern.“ Wenn man das nicht ausreichend kontrolliere und nicht rechtzeitig saniere, könne es zu Schäden kommen, die Menschen gefährdeten. In diesem Fall breche wegen der anderen Art von Beton zwar nicht gleich das ganze Dach ein, aber Teile der Fassade könnten herunterfallen.

Auch die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Porenbetonindustrie, Petra Lieback, glaubt nicht, dass die Situation in Deutschland mit der in Großbritannien vergleichbar ist. Ein Untersuchungsbericht aus England zeige „unterschiedliche Kombinationen an Mängeln, sowohl in der Herstellung als auch bei der Anwendung der bewehrten Elemente“, sagte Lieback der dpa.

Hinzu komme, dass grundlegende Prinzipien wie Wartung oder Instandhaltung tragender Konstruktionen nicht eingehalten worden seien, so Lieback weiter. „Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand gibt es in Deutschland keine vergleichbaren Probleme mit bewehrten Elementen aus Porenbeton“, teilte die Geschäftsführerin mit.

Britische Bauweise auch schädlich für das Klima

Die britische Bauweise kann nicht nur die Sicherheit gefährden, sondern auch das Klima. Beton ist wegen des Zements sehr klimaschädlich. Weltweit gesehen ist die Zementproduktion eine der größten Quellen für das Treibhausgas Kohlendioxid, Schätzungen zufolge entsprach der Ausstoß in den vergangenen Jahren etwa fünf Prozent der weltweite Treibhausgas-Emissionen durch die Industrie und die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Und je kürzer die Lebensdauer eines Gebäudes oder eines Infrastrukturbauwerks ist, desto mehr Baumaterial wird langfristig gesehen verbraucht. „Dauerhaft bauen bedeutet auch ökologisch bauen“, betont der KIT-Experte Gerdes.