Arte zeigt den französischen Krimiklassiker „Lautlos wie die Nacht“ von 1963 mit Jean Gabin und Alain Delon. Der ist ganz anders als Reißer von heute – funktioniert aber noch prächtig.
Stuttgart - Charles ist endlich raus aus dem Knast, seine Frau Ginette hat treu auf ihn gewartet. Nun könnte es losgehen mit dem ehrlichen Leben. Von der letzten Beute ist noch was versteckt, für das kleine Häuschen hat Ginette eine ansehnliche Entschädigung kassiert, weil auch dieser Grund für eine Großblocksiedlung gebraucht wird. Ginette (Viviane Romance) will mit den Rücklagen an ein beschauliches Fleckchen ziehen und dort ein Restaurant eröffnen. Charles (Jean Gabin) aber hat ganz andere Pläne: ein todsicheres letztes Ding, es kann gar nichts schief gehen, danach hat man ausgesorgt. Nur die Anfangsinvestitionen sind hoch.
Veteran im Neubauland
„Lautlos wie die Nacht“ von 1963 ist einer jener klassischen französischen Krimis, die abseits des Aufbruchskinos der jungen Filmrebellen wie Jean-Luc Godard und Francois Truffaut entstanden, aber keinesfalls in alten Formeln erstickten. Regie hat Henri Verneuil geführt, ein viel zu wenig besungener Held des französischen Kinos, ein Meister zugänglicher Unterhaltung, die nie ganz auf Nummer sicher geht und ihr Publikum nie unterfordert: „Staatsfeind Nummer 1“, „Der Clan der Sizilianer“, „Der Coup“, „Der Körper meines Feindes“ und „I wie Ikarus“ sind nur ein paar seiner leider gerade in Vergessenheit geratenden Filme.
„Lautlos wie die Nacht“, den Arte nun ausgegraben hat, konfrontiert die Heimkehr des so gemächlichen wie selbstbewussten Charles mit harten, jazzig unterlegten Bildern des Neubauviertels. Ganz ohne Worte kommt die Drohung auf, die Zeit des Ganovenveteranen könnte abgelaufen sein. Trotz dieses markanten Tricks lässt sich Verneuil mit dem Einstieg in seine Geschichte so viel Zeit, wie es heute kein Produzent mehr zulassen würde.
Sekunden und Gefängnisjahre
Erst wird Charles in aller Ruhe etabliert, dann der junge Tunichtgut Francis (Alain Delon), den Charles für einen Casinoraub in Cannes rekrutiert. Disziplin und Präzision, mahnt der Veteran, sei alles: „Eine Minute, das sind nicht nur sechzig Sekunden. Das können Gefängnisjahre werden.“ Aber Disziplin ist das, was der kecke Francis nicht aufbringen kann.
Verneuils entspannter Auftakt täuscht. Über zwei Stunden hin zieht der Film nach und nach die Schrauben an. Die Durchführung des Überfalls bietet feinsten Nervenkitzel, das Nachspiel ist grandios und hat dafür gesorgt, dass „Mélodie en sous-sol“, so der Originaltitel, auch in den USA ins Kino kam und über die Jahre wohl mehr als einen US-Regisseur beeinflusst hat. Verneuil wird da so pessimistisch, ja nihilistisch wie die großen Kunstregisseure, aber mit viel weniger Attitüde und Gespreize: Krimifreunde sollten unbedingt einschalten.
Ausstrahlung: Arte, Sonntag, 19. April 2020, 20.15 Uhr; Freitag, 24. April 2020, 13.45 Uhr; Dienstag, 12. Mai 2020, 13.45 Uhr.