Lok Sally mit Anhang auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Foto: KNITZ/Decksmann

Pünktlichkeit versüßt das Bahnfahren, keine Frage. Aber man sollte auch die Psychologie nicht außer acht lassen, meint unser Kolumnist KNITZ.

Moderne Schnellzüge werden auf Städtenamen getauft und mit einem Stadtwappen versehen. KNITZ war am Wochenende mit einer betagten E-Lok unterwegs, die den Namen Sally trägt. Es war eine bemerkenswerte Fahrt. Und Liebe auf den zweiten Blick.

 

Die junge Frau rümpft die Nase, kaum hatte sie den Waggon betreten – und KNITZ konnte nicht widersprechen. Es gibt angenehmere Düfte, die man sich für den frühen Sonntagmorgen wünscht.

Nichts für nüchterne Mägen

Ein Sommelier hätte die Duftnoten wohl herauslesen können, die da in der Luft lagen. Aber weil KNITZ nicht ausschließen kann, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich diese Zeilen auf nüchtern Magen einverleiben, will er es dabei belassen, dass es muffig roch. Und der Fußboden an manchen Stellen feucht war. Wohl die Bierspuren von Spätheimkehrern in der Früh.

Das werde sie Sven Plöger schreiben, dem Wetterfrosch aus dem Ersten, der unter #besserBahnfahren! Erfahrungen von Bahnreisenden sammelt, meinte die junge Frau.

Wenn sie es denn tut, dann dürfte Plöger nicht nur eine kritische Duftnote erhalten, sondern auch Erfreuliches, vermutet KNITZ. Denn der Blick der Frau hellte sich auf, als der Zug pünktlich auf die Minute losrollte. Und ein regelrechtes Strahlen ging über ihr Gesicht, als sich aus dem Bordlautsprecher eine freundliche Männerstimme meldete.

Sie wünsche allen Reisenden einen schönen guten Morgen, meinte die Stimme, und sie freue sich, uns an Bord begrüßen zu dürfen. Was die Stimme nicht sagte, aber was herauszuhören war: Da ist jemand mit Freude und Leidenschaft bei der Arbeit.

Die Ansagen kommen aus dem Rechner

Was für eine Ansprache, dachte KNITZ. Das klingt ja gerade so, als würden wir auf große Fahrt gehen. Dabei ging die Reise nur von Ehningen (bei Böblingen) bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Aber Entfernung ist relativ. Wer einmal auf der A 81 bei Böblingen oder Sindelfingen im Stau gestanden hat, der weiß, dass der Weg bis Stuttgart verdammt lang sein kann.

Es menschelt in modernen Verkehrsmitteln ja nicht mehr allzu oft. Die Ansagen in S-Bahnen kommen aus dem Rechner. Die sind zwar gut zu verstehen, im Gegensatz zu Live-Einspielungen aus dem Führerstand. Aber ein wenig Emotion tät sich KNITZ schon wünschen. Vor allem, wenn es heißt, dass der Ausstieg beim nächsten Halt rechts sei. Und beim Einfahren die Korrektur kommt: „Ausstieg heute links.“

Denkbar wäre „Mist, jetzt habe ich mich vertan“ oder „Sorry, aber der Zugfahrer hört einfach nicht auf mich. Heute also links.“ Oder übersteigt das die Fähigkeiten von Künstlicher Intelligenz?

Die menschliche Note, die KNITZ begegnet ist, hat damit zu tun, dass die Bahn derzeit, da die S-Bahn-Stammstrecke gesperrt ist, zwischen Ehningen und Stuttgart betagte Züge im Pendelverkehr einsetzt. Das freut nicht nur KNITZ, sondern auch Trainspotter, die mit gewaltigen Objektiven am Westbahnhof stehen, um von Sally und Gefolge Bilder zu schießen.

Es versteht sich von selbst, dass die Männerstimme am Ende der Reise die werten Fahrgäste daran erinnert, nichts liegen zu lassen. Manchmal braucht es nicht viel, um seine Kundschaft glücklich zu machen.