Geht hart gegen Oppositionelle vor – auch im Ausland: der türkische Präsident Erdogan. Foto: AP

Für den in Tübingen lebenden Busfahrer Baris Ates endet ein Urlaub fatal: die spanische Polizei verhaftet ihn aufgrund eines Haftbefehls aus Ankara. Das ist nicht der erste Fall dieser Art.

Madrid -  Wie geht es Baris Ates? „Danke, mir geht es gut. Und Ihnen?“ Der 43-jährige Lehrer aus dem türkischen Gaziantep hat seine Umgangsformen bewahrt. Er hätte gute Gründe, ungehalten zu sein. Seit gut einem Monat sitzt er in Spanien fest, wegen angeblicher „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“. Die spanische Polizei hat sich, wie schon in anderen Fällen, zum verlängerten Arm des türkischen Erdogan-Regimes gemacht, das seine Gegner überall auf der Welt per Interpol verfolgen lässt.

  Ate, der an einem Gymnasium in seiner Heimatstadt Philosophie unterrichtete, kam 2012 nach Deutschland, wo er vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Flüchtling anerkannt wurde, da ihm in der Türkei wegen seiner politischen Überzeugungen „Verfolgungsmaßnahmen“ drohten.

Wegen seiner Teilnahme an Studentenprotesten im Jahr 2000 hatte ihm die türkische Justiz die Mitgliedschaft in einer bewaffneten Organisation vorgeworfen und ihn für gut zweieinhalb Jahre in Haft genommen. Als ein anderes Gericht in der Türkei entschied, dass er wegen derselben Vorwürfe noch einmal für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis gehen sollte, floh er nach Deutschland.  

Um 3 Uhr nachts klopfte die Polizei

Seit fünf Jahren lebt Ates mit seiner Familie in Tübingen, wo er als Busfahrer arbeitet. Am 20. Juni brach er mit Frau und Kindern zum Urlaub nach Torremolinos an der spanischen Costa del Sol auf. Kurz vor Mitternacht kamen die Erholungssuchenden im Hotel an. Es sollte ein sehr kurzer Urlaub werden. „Gegen drei Uhr nachts klopfte die Polizei an die Tür“, erzählt Ates. „Ich ahnte sofort, dass dahinter der türkische Staat steckte.“ Er kannte den Fall des Kölner Schriftstellers Dogan Akhanli, dem im August letzten Jahres während eines Spanienurlaubes ganz Ähnliches widerfahren war. Seine Befürchtung bestätigte sich: Wie damals Akhanli wurde auch er wegen eines internationalen Auslieferungsersuchens der türkischen Behörden per Interpol gesucht.  

Noch am Tag nach seiner nächtlichen Festnahme befasste sich ein Untersuchungsrichter des Nationalen Gerichtshofs in Madrid mit dem Fall und beschloss, Ates unter Auflagen auf freien Fuß zu setzen. Er darf Spanien aber nicht verlassen und hat sich nach Vermittlung eines in Granada lebenden türkischen Freundes dort ein Zimmer gemietet. Seine finanziellen Mittel sind allerdings begrenzt.

Abgeordnete richtet Spendenkonto ein

Die Tübinger Linken-Abgeordnete Heike Hänsel hat ein Spendenkonto für Ates eingerichtet und ihm damit aus der ärgsten Bedrängnis herausgeholfen.  Der Beschuldigte muss nun auf das Hauptverfahren des Nationalen Gerichtshofes in seiner Sache warten. Wann das stattfinden wird, ist offen. „Die Auflagen des Richters zeigen, dass er ihn hier unter Kontrolle haben will“, sagt Ates spanischer Anwalt Alfonso Sell. Er wolle vor Gericht belegen, dass sein Mandant politisch verfolgt wird und eine Auslieferung deshalb nicht in Frage komme.  

Der Schriftsteller Dogan Akhanli findet es „merkwürdig“, dass sich ein Fall wie seiner in Spanien wiederholt. „Die spanischen Behörden müssten eigentlich wissen, dass ihre türkischen Kollegen willkürlich handeln.“ Am Ende könne Ates wahrscheinlich wieder, so wie er selbst, nach Deutschland zurückkehren. „Aber in der Zwischenzeit werden sie ihm das Leben ziemlich schwer machen.“