Mini-Kamera auf der Schulter eines Beamten: In anderen Bundesländern erfolgreich getestet, in Baden-Württemberg aber noch umstritten. Foto: dpa

Schulterkameras sollen verhindern, dass Polizisten angepöbelt oder angegriffen werden. Grüne und SPD konnten sich in Baden-Württemberg aber nur darauf einigen, die Maßnahme nach der Landtagswahl einzuführen. Die Gewerkschaft ist sauer.

Stuttgart - Damit Polizisten in der Öffentlichkeit nicht mehr so häufig beleidigt und angegriffen werden, wollen SPD und Grüne in Mannheim, Freiburg und Stuttgart Schulterkameras erproben. Wenn Beamte das Geschehen aufzeichnen, so das Kalkül, schreckt dies Unruhestifter ab.

Allerdings wird die endgültige Entscheidung über das Vorhaben der nächsten Landesregierung vorbehalten bleiben, denn bis zur Landtagswahl am 13. März kann das entsprechende Gesetz aus Zeitgründen nicht mehr geändert werden. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert dies scharf. Sie beklagt unnötige Verzögerungen, an denen vor allem die Grünen schuld seien.

Testläufe in anderen Bundesländern hätten bis zu 30 Prozent weniger Beleidigungen ergeben, sagte GdP-Landeschef Rüdiger Seidenspinner unserer Zeitung. Seinen Worten zufolge hätte Grün-Rot die Schulterkameras längst anschaffen können. Die Grünen hätten aber im Gegenzug darauf beharrt, Polizisten künftig zu kennzeichnen, um im Fall von Übergriffen von Beamten diese besser identifizieren zu können.

Polizeigewerkschaft beklagt Verquickung mit anderem Thema

„Dies Verquickung ist eine Frechheit“, so Seidenspinner. Bislang sei jede Straftat eines Beamten aufgeklärt worden, es gebe also für eine solche Kennzeichnung gar keinen Bedarf. Ganz anders sieht es nach seinen Worten bei den Schulterkameras aus, denn die Zahl der Straftaten gegen Beamte steige seit Jahren.

Gall bestritt am Dienstag, dass es eine Verquickung der beiden Themen gegeben hat. Die Verzögerung bei den Schulterkameras begründete er mit schwierigen rechtlichen Fragen, die in beiden Regierungsfraktionen eine Rolle gespielt hätten. Die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Beamte stellte er für die nächste Legislaturperiode in Aussicht. Der Punkt stehe im Regierungsprogramm der SPD.

Gall hatte in der zurückliegenden Legislaturperiode keinen Hehl daraus gemacht, dass er wenig von der Kennzeichnungspflicht hält. Mehrfach beklagten sich die Grünen öffentlich darüber, dass der Innenminister die Maßnahme vor sich herschiebe, obwohl sie auf Drängen der Grünen im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei.

Widerstand von Datenschützern

Die Schulterkameras stoßen bei Datenschützern auf Bedenken. Sie sollen Ton- und Bildaufnahmen machen können, wenn Polizisten zum Beispiel im Sommer in Partyvierteln auf Streife gehen. Es handle sich um eine „offene Maßnahme“, erklärte Gall. Dass die Polizisten das Geschehen filmen, soll für jeden sofort erkennbar sein.

Die Filme sollen dann laut Gall höchstens vier Wochen lang gespeichert werden. Was die Länge der Frist angeht, sei er verhandlungsbereit, sagte er, da müsse man nun auch das Ergebnis der Anhörung abwarten.

Die Landesregierung gibt den entsprechenden Entwurf zur Änderung des Polizeigesetzes jetzt zur Anhörung an die betroffenen Verbände frei. Die Ergebnisse der Anhörung werden dann im Innenministerium aufbewahrt, und die neue Regierung kann dann entscheiden, ob sie die Vorarbeit übernimmt oder alles in den Papierkorb wirft.

CDU will die Schulterkameras auch einführen

Die CDU signalisierte am Dienstag, dass auch sie Schulterkameras zumindest erproben würde: „Eine CDU-geführte Landesregierung wird das Thema auf jeden Fall wieder aufgreifen und dann in einem ordentlichen Verfahren schnellstmöglich umsetzen“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Blenke

Grundsätzlich seien alle Bemühungen zu begrüßen, gewalttätige Angriffe auf Polizeikräfte einzudämmen. Die Schaffung einer Rechtsgrundlage, Polizeibeamte mit einer Bodycam ausrüsten zu können, wäre daher eine gute Maßnahme, so Blenke weiter.

„Das Vorgehen von Minister Gall ist jedoch nicht mehr als ein reines Wahlkampfmanöver. Wäre es ihm mit diesem Anliegen ernst gewesen, hätte es bereits genügt, wenn er den Gesetzentwurf noch vor wenigen Wochen vorgelegt hätte“, so Blenke. Diese Zeit habe der Minister jedoch ungenutzt verstreichen lassen.

Blenke argwöhnt, dass Gall die Zustimmung der Grünen zu dem Vorhaben nur erhalten hat, da klar sei, dass das Gesetz nur zustande komme, wenn das Vorhaben in einem neuen Koalitionsvertrag fortgeführt werde: „Mit dieser Taktik haben sich die Grünen aus der Verantwortung gestohlen.“