Das Schreddern von frisch geschlüpften männlichen Küken ist zwar verboten, doch noch immer werden Millionen der kleinen Tiere vergast und verfüttert. Foto: dpa/Jens Büttner

Der Eierproduzent Martin Föll führt im März das Bruderhahn-Ei in sein Sortiment ein. Damit will er den Verbrauchern selbst die Wahl lassen, welches Ei sie letztendlich kaufen.

Großbottwar - Zufrieden blickt Martin Föll auf die neue Verpackungsanlage in seiner Firmenhalle. Täglich werden auf seinem Hof im Großbottwarer Teilort Sauserhof rund 50 000 Eier verpackt und in den Handel gefahren. Das Geschäft läuft gut, es duldet aber offenbar trotz Freiland- und Bodenhaltung keinen ethischen Stillstand. „Im März führe ich das Bruderhahn-Ei in unser Sortiment ein“, erzählt Föll und zeigt das neue Logo dafür.

Das etwa fünf Cent teurere Ei stammt von Hennen aus Brütereien, in denen männliche Küken leben gelassen werden. Das ist immer noch die Ausnahme – denn die Aufzucht der Bruderhähne gilt als unrentabel: Speziell gezüchtete Masthähnchen werfen viel mehr Fleisch ab. Die Folge sind rund 45 Millionen getötete Küken jährlich in Deutschland. Das lässt immer mehr Verbrauchern keine Ruhe.

Der Eierproduzent Martin Föll muss sich auf diesen Trend einstellen. Er selbst züchtet keine Hühner, ist nur ein Glied in der Lieferkette. Wird die Welt durch den Bruderhahn besser? „Ums Töten der Tiere kommen wir nicht herum“, sagt Föll, doch er habe Verständnis für die Kritik am Kükentöten. „Der Verbraucher soll selbst entscheiden, welches Ei er kauft“, findet Föll, der außer den eigenen noch die von sechs Höfen vermarktet und auf den Bedarf in Supermärkten reagiert.

Der Trend zu mehr Tierschutz ist in den Regalen der Märkte längst angekommen. Als erste hat die Kette Alnatura im Jahr 2016 in Baden-Württemberg und Bayern das Bruderhahn-Ei angeboten. „Wir wurden von unseren Kunden immer öfter nach Alternativen zu den üblichen Haltungsmethoden angesprochen“, sagt Philipp Schlucke, Leiter im Alnatura-Markt in Ludwigsburg. Inzwischen gibt es in dem Laden nur noch die Eier der Bruderhahn-Initiative des Bio-Handels. Sie kümmere sich auch um die Vermarktung des Fleisches. „So können wir unseren Kunden neue Produkte aus Bio-Fleisch anbieten“, erzählt Schlucke und führt Babygläschen mit Fleisch von Bruderhähnen sowie Geflügelbratwurst aus Bruderhahn-Fleisch an.

Auf den Wunsch der Verbraucher hat auch die Politik reagiert. Die Bundesagrarministerin Julia Klöckner strebt den Ausstieg aus dem Kükentöten bis Ende 2021 an. Dann greife das Tierschutzgesetz, wonach Tiere nicht ohne einen vernünftigen Grund getötet werden dürfen. Klöckner beruft sich auf die sogenannte endokrinologische Methode. Dabei wird das Geschlecht des Kükens bereits im Ei bestimmt. Das Ausbrüten männlicher Küken sei gar nicht mehr nötig, wenn Betriebe die Methode anwenden könnten. Klöckners Ministerium investierte rund acht Millionen Euro in die Erforschung. Das Fazit: Eine flächendeckende Einführung ist möglich – schneller noch als die des Bruderhahn-Eis. Die Ministerin setzt dabei auf Einsicht: Mit den Brütereien will sie eine Vereinbarung, damit sie nicht extra ein Gesetz verabschieden muss.

Schluss mit dem Kükentöten wollen auch die etwa 20 deutschen Brütereien machen – der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft in Berlin befürwortet ausdrücklich den Tierschutz, doch sorgt er sich um die Versorgungslage: Der Bedarf an Eiern sei einfach zu groß. „Wir befürchten, dass bei einem Verbot ohne praxistaugliche Alternativen Junghennen aus dem Ausland importiert werden müssen“, sagt Christiane von Alemann, Sprecherin des Verbandes. Es brauche eine europaweite Lösung. Auch sollte der Umstieg auf das endokrinologische Verfahren vom Bund finanziell gefördert werden.

Nicht überzeugt von der In-Ei-Erkennung ist Werner Hockenberger, der eine Bio-Brüterei in Eppingen betreibt. „Es gibt mehrere Verfahren, aber bei allen wird das bereits ausgebildete Embryo entweder am 8. und 9. Tag oder am 13. bis 16.  Tag getötet“, weiß er. Herzschlag, Schnabel und Federn seien dann schon ausgeprägt. Das belegten Bilder, die der Fachwelt bekannt seien. Den Verbrauchern werde dagegen vorgegaukelt, dass es keine Tötung mehr gebe. Auch sei unklar, „wie die Masse der gehäckselten Embryo-Pampe verwertet werden soll“. Getötete Küken seien immerhin noch an Falknereien zur Fütterung weitergegeben worden, doch tierisches Eiweiß in Futtermitteln zuzugeben sei problematisch. „In meinen Betrieb kommt kein Häcksler“, sagt Hockenberger, bei dem jährlich drei Millionen Küken das Licht der Welt erblicken. Der Züchter stellte vor zehn Jahren auf Bio-Betrieb mit Partnern wie Demeter und Bioland um – und verfolgt das Bruderhahn-Modell, denn auch seine Partner lehnten die In-Ei-Erkennung ab.

Zweigleisig fährt der Lebensmittelkonzern Rewe. Er bietet sowohl Eier aus dem Bruderhahn-Modell wie auch mit der endokrinologischen Methode, sogenannte Seleggt-Eier, an. „Wir sind mit der Entwicklung der Nachfrage zufrieden“, sagt Rewe-Pressesprecher Thomas Bonrath. Mittlerweile seien annähernd eine Million Tiere im Rahmen dieser Programme aufgezogen worden. Das Fleisch werde nach mindestens 70  Tagen Mast zu Hühnerfrikassée verarbeitet. Die Bruderhähne werden laut Bonrath wie auch die Hennen gentechnikfrei gefüttert und wachsen in Ställen mit Sitzstangen und Beschäftigungsmaterial auf. Das Projekt werde wissenschaftlich durch die Hochschule Osnabrück begleitet und durch unabhängige Zertifizierungsstellen kontrolliert.