Zuhören, Besorgungen erledigen, Vorlesen. Die Grünen Damen und Herren in den Krankenhäusern Stuttgarts haben das, was im Klinikalltag oft fehlt: Zeit. In diesem Jahr feiern sie ihr 40-jähriges Bestehen – und suchen gleichzeitig nach einer neuen Generation, die sich dem Ehrenamt verschreiben möchte.
Sonja Zimmermann hat mal wieder eine Patientin glücklich gemacht: Sie bringt der Frau ihr Handy. Als sie unerwartet am Vortag ins Krankenhaus eingeliefert wurde, hatte sie in der Eile nur das Ladekabel eingepackt. Als Grüne Dame engagiert sich Sonja Zimmermann im Katharinenhospital. Sie und ihre Kollegen in den grünen Kitteln sind dort an vielen Orten anzutreffen. Sie stehen am Eingang, um Patienten den Weg im verzweigten Krankenhaus zu weisen. Sie warten vor der Intensivstation, um Angehörige bei ihrer Ankunft zu helfen. Seit 40 Jahren sind die Grünen Damen und Herren im Einsatz und haben das, was Ärzte und Pfleger in der Regel nur sehr begrenzt haben: Zeit – fürs Zuhören, für Gespräche, Vorlesen oder eben für kleine Besorgungen wie das daheim vergessene Handy.
Sonja Zimmermann dreht jeden Donnerstagvormittag ihre Runde durch das Katharinenhospital. Mit der Stationsleitung geht die 61-Jährige zuerst die Bettenbelegung durch und fragt, wer an diesem Tag Gesellschaft oder Unterstützung gebrauchen könnte. Für die personell unterbesetzte Station sind die Ehrenamtler eine echte Entlastung. Der Dame im ersten Zimmer überbringt sie dann das Telefon. Seit acht Jahren kümmert sie sich um die praktischen oder auch seelischen Probleme der Patienten.
Nachwuchs wird gesucht
Etwa 100 Grüne Damen und Herren sind derzeit ehrenamtlich in den Kliniken des Klinikum Stuttgarts, dem Robert-Bosch-Krankenhaus, dem Karl-Olga-Krankenhaus sowie mehreren Pflegeeinrichtungen tätig. Doch jedes Jahr werden die Aktiven älter; und somit weniger. Maximal 80 Jahre darf eine Grüne Damen oder ein Herr sein, dann ist auch im Ehrenamt das Renteneintrittsalter erreicht. „Wir brauchen dringend Nachwuchs“, sagt die Sprecherin der Grünen Damen, Claudia Krause. Besonders nach der Pandemie seien viele von ihnen nicht ins Ehrenamt zurückgekehrt, erklärt sie.
Auch Simone Hennerich geht im grünen Kittel auf die Stationen. Sie geht 30 Stunden in der Woche arbeiten und tauscht an einem Tag in der Woche das Büro gegen das Krankenhaus. Sie ist oft auf der Neurologie unterwegs, wo Menschen liegen, die Schlaganfälle erlitten haben oder an Parkinson erkrankt sind. In ihrer Kitteltasche steckt ein Notizheft, in dem sie sich Besonderheiten oder Wünsche der Patienten aufschreibt. „Orangen kaufen“, „Kreuzworträtsel besorgen“ oder „Telefonkarte aufladen“ steht dort zum Beispiel. Dann läuft die 54-Jährige zum Krankenhauskiosk oder bis zu dem kleinen Supermarkt an der Kriegsbergstraße. Mit manchen Patienten geht sie in die kleine Kapelle des Krankenhauses oder fotografiert für sie den Wochenplan für Gottesdienste, Andachten und Gebete ab.
Ins Ehrenamt hineinschnuppern
Ihre Kollegin Sonja Zimmermann ist auch für die Onkologie zuständig. Patienten liegen hier meist länger als auf anderen Stationen, und ihre Sorgen und Ängste sind meist groß. Die Patientin, die im Zimmer mit der Nummer acht liegt, kennt sie bereits. Ihre erste Chemotherapie hat nicht angeschlagen, sie ist zurück für einen neuen Behandlungsversuch. Doch Hoffnung auf Genesung hat sie kaum. Sonja Zimmermann hört ihr zu, drückt vorsichtig ihren Arm, motiviert sie, über ihre starke Übelkeit ein weiteres Mal mit der Stationsärztin zu sprechen und durchzuhalten. Hin und wieder kann sie der Dame ein Lächeln entlocken.
Vor acht Jahren haben sich Simone Hennerich und Sonja Zimmermann auf dem Einführungsseminar kennengelernt, das alle neuen Grüne Damen und Herren besuchen. Dabei lernen sie, wie man auf Patienten zugeht oder wie Stimmung und Wünsche seines Gegenübers besser einschätzt. In den ersten Wochen laufen die Neulinge zunächst mit erfahrenen Kolleginnen mit. Dann dürfen sie sich entscheiden, ob das Ehrenamt im Krankenhaus etwas für sie ist.
„Der Krankenhausaufenthalt ist meist eine belastende Situation“, sagt die Sprecherin der Grünen Damen und Herren, Claudia Krause. Selbst vermeintlich kleine Dinge fielen den Patienten schwer. Sie ist im Lotsendienst tätig und hilft neuen Patienten bei der Orientierung im Krankenhaus. Sie achtet auch darauf, dass Wartende mitbekommen, wenn ihre Ticketnummer am Informationsschalter aufgerufen wird. Früher führte sie das Büro des Handwerkerunternehmens ihres Mannes, in der Rente wollte sie raus und unter Menschen kommen – und wurde vor 13 Jahren zur Grünen Dame. Auf der Intensivstation ist Claudia Krause ebenfalls tätig. Hier unterstützen die Grünen Damen und Herren jeden Nachmittag zur Besuchszeit. Sie fragen, wen Angehörige besuchen wollen, laufen auf die Station und erkundigen sich, ob ein Besuch gerade möglich ist.
Unterstützung bei kleinen Dingen ist viel Wert
Zur Mittagszeit treffen sich alle Grünen Damen und Herren in der Kantine des Krankenhauses. Sie tauschen sich über die Eindrücke des Tages aus und besprechen, wer in den nächsten Tagen auf den Stationen Unterstützung brauchen könnte. Nach dem Mittagessen legen Simone Hennerich und Sonja Zimmermann ihre grünen Kittel ab – und damit auch die Sorgen der Patienten, denen sie sich über den Vormittag hinweg angenommen haben. Wenn sie durch die Eingangspforte hinaus auf den Gehweg treten, wissen die beiden, dass sie ihren Vormittag gut genutzt haben.
Grüne Dame oder Herr werden
Tätigkeit
Grüne Damen oder Herren können im Besuchsdienst auf den Stationen, als Lotse oder auf der Intensivstation arbeiten. Je nach Einsatzfeld konzentriert sich die Arbeitszeit auf den Vor- oder Nachmittag. Die Arbeit ist ehrenamtlich, Kosten für das Mittagessen in den Krankenhauskantinen sowie Fahrtkosten werden erstattet.
Einführung
Das nächste Einführungsseminar findet voraussichtlich im Herbst statt. Auch Fortbildungen werden regelmäßig angeboten. Bei Interesse steht die Sprecherin Claudia Krause zur Verfügung: cl.krause@t-online.de; 0178/6702425.