Das Publikum staunt auch heute noch über Eberhard Weber Foto: Bix/Jörg Becker

Sein Instrument kann der große Jazz-Bassist Eberhard Weber nach einem Schlaganfall nicht mehr spielen – dafür umso besser lesen, wie er im Stuttgarter Jazzclub Bix mit Auszügen aus seiner Biografie offenbart hat.

Stuttgart - Eberhard Weber, einer der weltbesten Jazzbassisten, hat einen trockenen Humor und pflegt mit Vergnügen das ironische Spiel mit einem ihm eigenen schwäbisch geprägten Understatement. „’s meischte isch gschwätzt.“ Derart lakonisch kommentierte Weber im Theaterhaus Stuttgart die spektakuläre Hommage und zahlreiche Huldigungen an seinem 75. Geburtstag im Theaterhaus, als ihm der Jazzpreis des Landes für sein Lebenswerk von Staatssekretär Jürgen Walter verliehen wurde.

Seit dem 23. April 2007 kann Eberhard Weber nicht mehr auf seinem geliebten fünfsaitigen Spezialbass spielen, „das einzige Talent, das ich habe.“ Doch bei seiner Lesung im Jazzclub Bix in Stuttgart zeigt sich, dass er noch eine andere hat: das Schreiben. Wie das aus alten Bass-Solos zusammengestellte Album hat er auch seine in der sagas-edition erschienene Biografie „Résumé“ genannt. Der Untertitel: „Eine deutsche Jazz-Geschichte“.

Für jeden Jazz-Interessierten ist dieses 240 Seiten umfassende Buch – ohne Ghostwriter verfasst – ein wahres Lesevergnügen. Es ist scharfsinnig und unangestrengt, „teils emotional, teils nüchtern, teils wütend, möglichst ohne Standesdünkel“ , so Weber selbst, formuliert. Zugleich wird Zeitgeschichte wieder lebendig. Etwa die Nachkriegszeit in Esslingen, als US-Soldaten Blockschokolade verteilten und der Jazz allmählich auch hierzulande populär wurde. Die gesellschaftlich-musikalischen Veränderungen der späteren Jahrzehnte in Deutschland werden analysiert und anekdotisch beleuchtet.

Falsche Rücksichtnahme ist Webers Sache nicht

Das Publikum lacht immer wieder und staunt darüber, wie locker und aus einem Guss der große Jazzbassist die Feder führt. Er erzählt schmunzelnd von seinem als Sackgasse bezeichneten Exkurs in den Free Jazz der späten 1960er Jahre, als nur eine Regel galt: Alle Regeln der Harmonik, des Rhythmus und des planvollen Spielens sind aufgehoben. Auch „Jazzpapst“ Joachim-Ernst Berendt kriegt da einen Seitenhieb ab. Falsche Rücksichtnahme ist Webers Sache nicht. Als er gefragt wird, wie sein Verhältnis zu Wolfgang Dauner sei, antwortet er unumwunden: „Heikel.“ Der sei wohl beleidigt, dass nicht er den ersten Jazzpreis des Landes für sein Lebenswerk erhalten habe, sondern Weggefährte Weber. Das Hommage-Konzert im Januar hätten Dauner und Frau schon in der Pause verlassen, und auf die Zusendung seines Buches „Résumé“ und des ECM-Albums „Hommage“ habe Dauner nicht mehr reagiert.

Man muss wissen, dass diese beiden schwäbischen Vorzeigejazzer mit Fred Braceful schon im Jahr 1963 ein Trio gegründet hatten. Bei eben dem Konzert im Januar hatte Weber sich öffentlich gewünscht, dass die Improvisation erhalten bleibt, „wenn ich einmal nicht mehr bin“.

Wie quicklebendig improvisiert heute werden kann, zeigte im Bix eindrücklich die Kleinformation Tri. Die besteht aus Mini Schulz am Kontrabass, Schlagzeuger Obi Jenne und Holzbläser Libor Sima, lauter gestandene Musiker mit hoher Kompetenz und mitreißender Spielfreude. Sie lockerten den Leseabend mit Kompositionen von Eberhard Weber und eigenen Stücken auf. Dabei überraschte Sima das Publikum mit seinem virtuosen Spiel auf dem im Jazz höchst seltenen Fagott, bevor er auch auf dem Saxofon glänzte.

Weber, der nicht gern lobt, nickt immer wieder anerkennend

Wie Sima ist Schulz in der Klassik ebenso bewandert wie im Jazz. Sein sauberes fantasievolles Spiel und der warme volle Klang nötigten seinem großen Kontrabasskollegen Weber, der nicht gern lobt, doch immer wieder ein anerkennendes Nicken ab.

Beim lockeren Podiumsgespräch plauderten die beiden aus dem Nähkästchen des Jazz. Eingerahmt von der Komposition „Nevertheless“ (Trotzdem), die man als Anspielung auf Webers starken Umgang mit seiner Behinderung verstehen konnte, und der wunderbaren Interpretation von dessen Ballade „Notes After an Evening“ erlebte das Publikum einen lockeren und spannenden Jazzabend.