In der Schreinerei im Gymnasium Kloster Wald machen viele Schülerinnen auch eine Ausbildung. Foto: Käflein

Gleichzeitig für das Abitur lernen und eine Ausbildung machen? An einigen privaten Gymnasien in Baden-Württemberg ist das möglich. Unternehmen wollen das Modell auch an öffentlichen Gymnasien etablieren.

Stuttgart - Ihren Schulwechsel hat Elisabeth Hanshans nie bereut. Nach der neunten Klasse verließ sie ihr damaliges Gymnasium, um im Gymnasium Kloster Wald Abitur zu machen und gleichzeitig ihren Traumberuf zu erlernen. Viereinhalb Jahre später hatte sie die Hochschulreife und den Gesellenbrief als Schreinerin in der Tasche.

Seit 1951 bietet die 1946 gegründete katholische Schule im Kreis Sigmaringen einen Doppelabschluss an. Die damalige Schulleiterin, eine Ordensfrau, hielt viel von den Ideen des Schweizer Pädagogen Heinrich Pestalozzi – dass zum Lernen Kopf, Herz und Hand gehören – und kämpfte dafür, dass die Handwerkskammer die Ausbildung zur Maßschneiderin anerkannte, erzählt Diana Kempf, Leiterin der Lehrwerkstätten und selbst ehemalige Schülerin.

Trotz der Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre vor elf Jahren entscheiden sich auch heute etwa 90 Prozent der Schülerinnen dafür, in Klasse neun mit einer Ausbildung zu beginnen – inzwischen werden drei Berufe angeboten. Die meisten wählen die Maßschneiderei, je ein Fünftel die Schreinerei und Holzbildhauerei.

Gute Grundlage für Studium und Beruf

Für die Mädchen bedeutet das, zusätzliche Stunden in der Schule zu verbringen. Einen Nachmittag pro Woche haben sie Werkstattunterricht, und nach dem Abitur lernen sie dort noch ein halbes Jahr ganztägig, um dann die Gesellenprüfung abzulegen. Nur wenige verzichten darauf – eine der diesjährigen Absolventinnen wird die Ausbildung nicht beenden, weil sie einen der begehrten Medizinstudienplätze erhielt. Das zusätzliche Angebot tue den Mädchen gut, sagt Kempf. Dass sie mit ihren eigenen Händen Kleider, Möbel oder Skulpturen herstellten, stärke ihr Selbstbewusstsein.

Viele Schülerinnen kommen gerade wegen dieses Angebots an die Schule, manche sogar aus dem Ausland. Der Abschluss bietet eine gute Grundlage für Beruf oder Studium. Manche entscheiden sich für ein Studium, das auf ihrer Ausbildung aufbaut, etwa Modedesign oder Architektur, andere für eine neue Fachrichtung. Elisabeth Hanshans wollte eigentlich Holztechnik studieren. Doch als sie in einer Schreinerei in München die Wartezeit überbrückte, war sie begeistert von den neuen Aufgaben. Nach ihrer Meisterprüfung baute sie mit ihrem Mann ein eigenes Unternehmen auf.

Die Privatschule ist eine von wenigen in Baden-Württemberg, die einen solchen Doppelabschluss anbieten. Seit zweieinhalb Jahren macht sich der Reutlinger Unternehmer Carl-Heiner Schmid dafür stark, dass auch andere Gymnasien ihren Schülern den Doppelabschluss Abitur und Gesellenbrief anbieten: Das wäre für die Schüler ein großer Gewinn, weil sie einen besseren Einblick in die Arbeitswelt erhielten, ist der Chef der Unternehmensgruppe Heinrich Schmid überzeugt. Und es würde nicht nur das Handwerk, sondern alle Ausbildungen stärken. Auch Unternehmen wie der Lackieranlagenhersteller Dürr oder Porsche hätten Interesse signalisiert, sagt der frühere Daimlersprecher Matthias Kleinert, der ebenfalls für das duale Gymnasium wirbt. Erste Gespräche mit Vertretern des Kultus- und des Finanzministeriums gab es bereits.

Gymnasium in Kusterdingen interessiert

Schmid selbst hat schon eine Schule gefunden, die sich eine solche Partnerschaft vorstellen könnte: das Firstwald-Gymnasium Mössingen, eine evangelische Privatschule. Das mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnete Gymnasium plant, vom nächsten Schuljahr an in seiner Außenstelle in Kusterdingen das Modell zu erproben. Eine Gruppe von Neuntklässlern kann dann neben dem regulären Unterricht bei dem Reutlinger Unternehmen mit einer Ausbildung zum Maler und Lackierer beginnen. An einem Nachmittag pro Woche und teilweise in den Ferien würden die Schüler die betriebliche Ausbildung im nahe gelegenen Reutlingen besuchen, nach dem Abitur dann bis zum folgenden Januar in Vollzeit, sagt Michael Pfeffer von der Führungsakademie des Unternehmens. Schulleiter Helmut Dreher fiel es nicht schwer, zu dem Angebot Ja zu sagen. In der Schülerfirma am Mössinger Gymnasium produzieren und verkaufen die Schüler seit Jahren Stehpulte. Zeitlich seien die Schüler dadurch zwar etwas mehr beansprucht, sagt Dreher. „Aber bei den Prüfungen schneiden sie besser ab, weil sie in der Firma gelernt haben, gut zu organisieren.“