Mit der Änderung der Arzneimittel-Reform können Bundesländer zukünftig Drug-Checking einführen. Konsumentinnen und Konsumenten haben damit die Möglichkeit, psychoaktive Substanzen kostenlos und anonym testen zu lassen.
Der mutmaßliche Drogentod einer 13-Jährigen in Neubrandenburg Ende Juni hat die Frage in den Fokus von Politik und Behörden gerückt, wie man Drogenkonsumentinnen und -konsumenten besser schützen kann. Das Mädchen war nach der Einnahme einer Ecstasy-Pille mit dem Namen Blue Punisher im Krankenhaus verstorben. Der Fall verursachte bundesweit Aufruhr und bestätigt eine Entwicklung: Die Zahl der Drogentoten in Deutschland steigt. 1990 Menschen sind 2022 an den Folgen des Konsums illegaler Suchtmitteln gestorben, fast neun Prozent mehr als im Vorjahr.
Drug-Checking, um die Zahl der Drogentote zu senken
Um diesen fatalen Trend umzudrehen, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Mitte Juni angekündigt, das sogenannte Drug-Checking bundesweit einführen zu wollen. Die einschlägige Szene soll Proben ihrer psychoaktiven Drogen anonym und kostenlos testen und sich zum eigenen Konsumverhalten beraten lassen können. Anfang Juli hat der Bundestag beschlossen, dass die Länder künftig Angebote zu Untersuchungen der Inhaltsstoffe von Drogen erlauben können.
Was in allen Bundesländern jetzt möglich ist, wird in Thüringen schon seit 2021 angeboten. Konsumentinnen und Konsumenten übernehmen dort den ersten Schritt der Analyse, indem sie ihre mitgebrachten Drogen auf Partys und Festivals selbst abwiegen und in eine chemische Lösung geben. Das Ergebnis liegt je nach untersuchter Substanz nach maximal 30 Minuten vor. Im Anschluss erfolgt die Beratung vor Ort. In Berlin läuft seit Anfang Juni ein Testbetrieb. Drei soziale Organisationen nehmen Proben an und leiten diese an das gerichtsmedizinische Institut zum Drug-Check weiter. Das staatliche Institut verfügt über die nötige Sondergenehmigung. Polizei und Staatsanwaltschaft begrüßen das Drug-Checking.
Im Koalitionsvertrag verankert
Auch die Regierungsparteien in Baden-Württemberg haben sich im aktuellen Koalitionsvertrag für eine Erprobung des Drug-Checkings ausgesprochen. „Durch Angebote zur Schadensminderung muss alles dafür getan werden, die gesundheitlichen Risiken zum Beispiel durch gestreckte Drogen, schmutzige Spritzen oder gefährliche Zusatzstoffe zu reduzieren“, heißt es dort. Es dürfe allerdings nicht der Eindruck entstehen, dass die getesteten Drogen harmlos seien und unbedenklich konsumiert werden können, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Anfrage unserer Zeitung. Deswegen sei es unerlässlich, Drug-Checking mit einem Beratungsangebot zu verbinden.
Auf der Suche nach dem Rausch
Der Stuttgarter Verein Release arbeitet seit Jahren mit den Ergebnissen der „Check it“-Drogenanalyse aus Österreich. Auf Partys informieren die Drogenberater mit den Daten aus Wien und versuchen so, vor besonders gesundheitsschädlichen Präparaten zu warnen. Mithilfe des Drug-Checkings kann in Zukunft noch genauer auf die Konsumenten eingegangen werden. „Wenn man an der Bar Alkohol bestellt, dann gibt es eine Varianz von alkoholfrei bis Stroh-Rum – bei psychoaktiven Drogen hingegen ist es kaum möglich, die Dosierung einzuschätzen“, sagt Juliane Blanck, Eventkoordinatorin bei Take, einem Angebot von Release zur Risikominimierung des Drogenkonsums.
Der Blick auf die Nachbarländer Schweiz und Österreich zeigt: Wenn die Konsumenten Bescheid wissen, entscheiden sie sich häufig gegen verunreinigte Drogen. „Das Konsumverhalten wird von Drug-Checking maßgeblich beeinflusst“, sagt Juliane Blanck. „Viele Menschen wollen sich nicht schaden, sondern sind auf der Suche nach einem anderen Rausch als mit Alkohol.“ Wie auch das Gesundheitsministerium hält sie es für sinnvoll, die Analyse an ein Gespräch zu koppeln. Der Test wäre zwar auch ohne Beratung möglich, dann fehle aber der Kontext. „Die Nebenwirkungen unterscheiden sich stark je nach Konsumform und Inhaltsstoffen – darauf können wir im Gespräch eingehen.“
Beratung im Sinne des Verbraucherschutzes
Dass dieses Gespräch die Konsumenten davon abschreckt, das Angebot zu nutzen, glaubt die Drogenberaterin Blanck nicht. Ein Konsument stimmt ihr zu. „Ich freue mich schon lange darüber, dass es die Möglichkeit geben wird.“ Die Beratung sei im Sinne des Verbraucherschutzes wichtig. Sie glaubt, dass die Konsumenten Inhaltsstoffe und Dosierung ihrer Substanzen kennen wollen und im Rahmen von Drug-Checking Hinweise zu Risiken annehmen.
Wann genau im Südwesten Drug-Checking-Angebote starten, ist noch nicht bekannt. Derzeit laufen Abstimmungen zum Finanzierungsbedarf und zur Art des Modells. Man stehe mit mehreren Stellen in Kontakt, die sich in dem Bereich engagieren wollten, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.
Für die Zukunft wünscht sich Juliane Blanck Drug-Checking auch auf Festivals und Partys sowie in Drogenkonsumräumen. Damit könnten auch Menschen mit abhängigem Konsumverhalten erreicht werden. „Rausch gibt es nie ohne Risiko, aber ein paar Risiken kann man ausschließen.“