Edgardo Buscaglia beobachtet die Drogenkartelle seit langem. Foto:  

Der Kriminalitätsexperte Edgardo Buscaglia sieht Länder wie Ecuador auf einem gefährlichen Weg – wenn sie nicht schnell und massiv gegen die Kartelle vorgehen.

Edgardo Buscaglia (63), berät internationale Organisationen und Regierungen im Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität. Er ist Lehrbeauftragter an der Columbia University in New York und Mitgründer der Organisation „Save Democracy“.

Herr Buscaglia, ist Ecuador der erste gekaperte Staat Lateinamerikas?

Das Land steht in der Gefahr, vom Organisierten Verbrechen übernommen zu werden. Die parallelen Angriffe vom 9. Januar mit dem Überfall auf einen Fernsehsender, auf Universitäten und die Entführung von Polizisten muss man als den Versuch interpretieren, die Regierung stürzen zu wollen. Aber Staatschef Daniel Noboa und vor allem seine mutige Generalstaatsanwältin Diana Salazar haben richtig reagiert und die Zähne gezeigt. Zwei Dutzend hohe Funktionäre in Justiz, Politik, Sicherheitsapparat und Militär wurden wegen Korruption festgenommen. Das ist die richtige Reaktion. Nun muss sich zeigen, was passiert. Noboa übernimmt ein schweres Erbe. Seine Vorgänger haben dem organisierten Verbrechen jahrelang nahezu freie Hand gelassen. Der einzige wirklich gekaperte Staat in Lateinamerika ist übrigens Mexiko. Hier sind die Regierungen noch nie gegen die finanziellen Netzwerke der Kartelle und die Mafiastrukturen vorgegangen. Die Präsidenten bevorzugen eine „Pax mafiosa“, einen mafiösen Frieden. Man einigt sich.

Wie konnte die organisierte Kriminalität so mächtig werden?

Es ist ja ein Stück weit eine globale Tendenz. Wir befinden uns in der Phase eines anti-demokratischen Übergangs, gekennzeichnet durch Misstrauen und Schwächung demokratischer Institutionen und dem Aufschwung des organisierten Verbrechens. Lateinamerika ist davon besonders betroffen: durch historisch schwache Staaten und starke Kartelle. Jene sind längst internationale Großunternehmen, die weit mehr tun als Drogen schmuggeln und sich inzwischen hervorragend international vernetzen.

Was können Regierungen oder auch Länder gemeinsam tun, um die Oberhand zurückzugewinnen?

Die Organisierte Kriminalität muss man in einer diversifizierten Form bekämpfen. Polizeiliche und militärische Gewalt alleine reichen nicht. Die Syndikate sind heute in nahezu allen illegalen Geschäften tätig, längst nicht mehr nur im Rauschgiftschmuggel. Sie betrieben zunehmend Menschenhandel, sind in der Geldfälschung und dem Cyberbetrug unterwegs. Unerlässlich und bisher sträflich vernachlässigt ist der Kampf gegen Geldwäsche. Das machen zwar Länder wie Chile und Uruguay gut, aber Ecuador war da nachlässig. Der länderübergreifende Kampf gegen schmutziges Geld muss deutlich intensiviert werden. Bisher werden nur zwei von 100 gewaschenen Dollar sichergestellt. Zudem braucht es gute soziale Präventionsprogramme, nach dem Vorbild vieler europäischer Länder. Wichtig ist auch, die politische Korruption zu verhindern. Sie ist die Ursache fast allen Übels: Sie zersetzt einen Staat, wie man in Ecuador sehen kann.