Oberstaatsanwalt Joachim Speiermann (li.) und Guiseppe Campobasso von der Finanzpolizei Foto: dpa

Nach der Zerschlagung eines Drogenrings im Schwarzwald-Baar-Kreis beobachtet das Landeskriminalamt eine „Verbürgerlichung der Organisierten Kriminalität“. Die Akteure seien häufig hoch geachtete Mitglieder der Gesellschaft.

Rottweil - Zwei Männer aus dem Raum Donaueschingen sollen über Jahre im großen Stil die Region mit Drogen versorgt haben. Es handle sich um mafiaartige Strukturen, sagte der Chef der Rottweiler Polizeidirektion, Thomas Hechinger. Ein Jahr lang hatte eine Ermittlungsgruppe der für organisierte Kriminalität zuständigen Kriminalinspektion 4 verdeckt und in enger Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden ermittelt. Am 21. Juni konnten in Baden-Württemberg und Italien dann 15 Männer festgenommen werden. Die meisten von ihnen sind Italiener. Mehr als 30 Objekte wurden durchsucht. Inzwischen sind sich die Ermittler sicher, dass die Spur zur sizilianischen Cosa Nostra führt.

Familiäre Verbindungen zur Cosa Nostra

„Es gibt familiäre Bezüge. Man hilft sich“, sagte der Chefermittler Thomas Flaig, bei einer Pressekonferenz, bei der neue Details bekannt gegeben wurden. Allerdings gebe es bisher keine Hinweise, dass die Gruppe auch von Sizilien aus gesteuert worden sei. „Wir gehen von einer selbstständigen Organisation aus“, sagte der Kripochef Hechinger. Der Chef der Guardia di Finanza (Finanzpolizei) in Palermo, Giuseppe Campobasso, erklärte, die Gruppe habe „in Deutschland wie die Mafia agiert“ und sei „wie die Mafia organisiert“ gewesen. Insgesamt handle es sich auch aus seiner Sicht um eines der interessantesten und effizientesten Verfahren der vergangenen Jahre.

Ein Schaubild, das im Besprechungszimmer der Rottweiler Kripo hängt, zeigt die Struktur der Gruppe. Demnach versammelten die beiden 52 und 48 Jahre alten Patrones aus Donaueschingen zwei weitere Männer um sich, die jeweils als ihre rechte Hand fungierten. Für den Vertrieb der Drogen an Kleindealer setzten sie weitere fünf Männer ein. Drei Beschuldigte gelten als Männer fürs Grobe. Erpressungen, Brandanschläge und ein Überfall auf eine Gastwirtschaft im Donaueschinger Nachbarort Hüfingen dürften auf ihr Konto gehen. Ein Wirt hatte sich geweigert, Geldautomaten für den 48-Jährigen aufzustellen. Daraufhin wurde sein Restaurant im Mai beschossen. „Um den Willen des Chefs durchzusetzen, wurde vor nichts zurückgeschreckt“, sagte Flaig.

Eine neues Niveau von Kriminalität

Die Ware – Marihuana, Cannabis, Kokain, aber auch Waffen – bezog die Gruppe über ein internationales Netzwerk aus Holland, Spanien oder vom Balkan. Als die Polizei im Zuge eines anderen Ermittlungsverfahrens diese Quellen trockenlegte, knüpften die Männer Kontakte in den Mailänder Raum, so der Vorwurf der Polizei. Die Ermittlungsarbeit hätte die zuständigen Beamten bis an die Grenze gebracht. Die Mitschnitte aus der Telefonüberwachung und die aufgefangenen Whatsapp-Botschaften hätten übersetzt werden müssen. Zudem seien die Tatverdächtigen mit großer Professionalität vorgegangen. „Sie sind hervorragend vernetzt. Das bewegt sich auf einem ganz anderen Niveau als sonst“, sagte Hechinger.

Ein Raubüberfall durchkreuzt die Pläne fast

Zudem hätten die Männer – ebenfalls dem Vorbild der Mafia folgend – ihr Tun mit legalen Tätigkeiten verschleiert. Der 52-Jährige besitzt mehrere Pizzerien, die er an Wirte verpachtet. Sein 48-jähriger Kompagnon führt im Raum Donaueschingen ein Bekleidungsgeschäft. „Die Mafia wird zunehmend bürgerlich und ist bestens integriert“, sagte Wolfgang Rahm, der Mafia-Experte im Landeskriminalamt.

Zum Ergebnis der Hausdurchsuchungen äußerten sich die Beamten zurückhaltend. Nach einer ersten Aufstellung konnten fünf Pistolen, 78 Schuss Munition, 50 Gramm Kokain und 10 Kilogramm Marihuana sichergestellt werden. „Wir hatten etwas mehr erwartet“, räumte Hechinger ein. Doch offenbar waren die Akteure vorgewarnt, nachdem die italienische Polizei am Wochenende vor der Aktion hatte eingreifen müssen, um einen Raubüberfall zu verhindern. Allerdings sei es gelungen, umfangreiche Vermögenswerte abzuschöpfen. Dafür hatte die Rottweiler Kripo eine eigene Ermittlungsgruppe eingesetzt. So konnte die Polizei 60 000 Euro Bargeld und sieben hochwertige Autos beschlagnahmen und zwei Grundstücke einziehen. Die italienischen Kollegen hätten mehrere Villen und etwa fünf Millionen Euro eingezogen. „Wir befinden uns erst am Anfang der Ermittlungen“, sagte der Konstanzer Oberstaatsanwalt Joachim Speiermann. Er sei aber zuversichtlich, dass es zu einer Anklage komme. Drei Beschuldigte befinden sich mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Sie hätten umfangreiche Angaben gemacht.