Kopfüber in die Tiefe: Wagemutiger am Wasserfall Salto de Limón. Foto: Cyris

Wer in den All-inclusive-Ghettos bleibt, verpasst eine der besten Ecken: die Halbinsel Samaná.

Gummistiefel? Das war das Letzte, an das wir als Ausrüstungsgegenstand gedacht hatten. Badehose und Bikini, viel mehr braucht es normalerweise nicht in der Dominikanischen Republik. Vielleicht noch Hotpants, einen Schlauch von einem Abendkleid, Adiletten und Muscle-Shirts. Aber Gummistiefel? Wer keine im Gepäck hat, dem kann geholfen werden: Am Rande des Dorfes El Limón im Nordwesten des Karibikstaates steht eine Holzhütte, bis unters Dach vollgepackt mit den Kunststofflatschen. In jeder Größe. Der ganze Aufzug kommt optisch freilich etwas gewöhnungsbedürftig daher: oben Sommer-, unten Herbstlook. Wie auch immer, die Treter passen wie angegossen.

Gegossen hat es zuletzt stark im Nordwesten der Dominikanischen Republik. Mindestens einmal pro Tag kann es im dominikanischen Winter zu einem kurzen, aber heftigen Regenschauer kommen. Zwar brennt danach häufig wieder die Sonne, aber die Waldwege bleiben matschig. Erst recht zum Salto de Limón. Dutzende Pferde traben im Entenmarsch den rund zwei Kilometer langen Weg von der Stiefelverleihstation zum Wasserfall hin und wieder zurück, mit Touristen auf dem Rücken. In der Hochsaison in zwei bis drei Schichten täglich. Da wird die Pampe jedes Mal aufs Neue umgepflügt. Der Matsch sollte von einer Visite nicht abschrecken. Denn der Salto de Limón ist einer der schönsten Wasserfälle der Welt, wildromantisch seine Lage. Der Weg dorthin führt durch üppigen, tropischen Wald. Und ist dank der Pferde bequem zu bewältigen.

Am Beginn des Wegs schnaubt es aus Dutzenden Nüstern. Ein Auflauf wie auf dem Pferdemarkt. Die Tiere warten auf Ihre Fracht. Und genauso viele Guides. Jedes Pferd wird auf dem kleinen Marsch von einem Führer an die Hand genommen. So haben auch Reitanfänger die Möglichkeit aufzusitzen. Über ein Podest geht es in den Sattel. Der besteht nicht etwa aus Leder, sondern aus bunten Kleiderfetzen. Wenn es an irgendetwas in der Dominikanischen Republik nicht mangelt, dann an Improvisationstalent. Die Sättel werden von Hausfrauen in Heimarbeit gefertigt, scharfe Scheren sorgen für fotogenen Fransenlook. Bunte Farbtupfer setzen auch die Früchte, die entlang des Wegs wachsen: Mangos, Papayas, Orangen, Kakao und Kaffee. Jose Manuel, mein Guide, reißt ein Blatt eines Orangenbaums ab und hält es mir unter die Nase: intensives Tropenaroma, das womöglich selbst den inzwischen verstorbenen Orangenpapst Onkel Dittmeyer wieder zum Leben erwecken würde. In den Obstcontainern auf dem langen Weg nach Europa verduftet dieses unvergleichlich karibische Aroma unwiederbringlich.

Paula, das Pferd, hat dafür keinen Sinn. Die Stute achtet darauf, wo sie hintritt. Kleine Felsbrocken im Schlamm machen den Pfad zu einem Hindernisparcours. Die Pferde sind das ganze Kapital ihrer Besitzer. Sie werden auf zahlreichen Ranches rund um El Limón gehalten. Reiseagenturen fordern täglich den Bestand an. In der Hochsaison bis zu 100 Furys. Die Guides sind in der Regel junge Erwachsene aus den umliegenden Dörfern. Dank des Wasserfalls plätschert Geld in ihre Kassen. Ansonsten leben 80 Prozent der Bevölkerung auf der Halbinsel Samaná von der Landwirtschaft. Hauptsächlich auf Kokosplantagen. Kokosnüsse gibt es im Überfluss. Klima und Böden sind enorm fruchtbar. Von schätzungsweise 24 Millionen Palmen im ganzen Land stehen auf der kleinen Halbinsel allein sieben Millionen Exemplare auf rund 700 Quadratkilometern.

Das wäre ungefähr so, wie wenn in Berlin achteinhalb Millionen Eichen stünden. Stellenweise erinnert der Bewuchs eher an einen Palmen- denn an einen Regenwald. Stichwort Regen: Nach einer Dreiviertelstunde ist die Naturschönheit erreicht. Es gießt in Strömen– obwohl der Himmel blau ist. Der Rio Limón stürzt mitten in der Wildnis rund 30 Meter abwärts. Wir stehen vor dem Salto de Limón. Kaskadenartig ergießt sich das Wasser, das wie ein seidener Schleier bemooste Felsen verhüllt. Eine Szenerie wie eine Filmkulisse. Die Sonne zaubert faszinierende Kristalltöne aufs fallende Wasser und ins Becken, in dem Ausflügler ein erfrischendes Bad im klaren Wasser nehmen. Über einen breiten Sturzbach rauscht der Rio Limón talwärts.

Seite 2: Kinder und Blondinen zuerst!

Wer beim Überqueren der Schnellen Angst vor einem Ausrutscher hat, dem wird von Guides die Hand gereicht – Kinder und Blondinen zuerst. Da kann der Latino-Macho nicht aus seiner Haut. Zwei wagemutige Führer klettern die glitschigen Felswände hoch. Aus etwa 15 Metern stürzen sie sich in die Tiefe. Samaná-Besucher tun gut daran, sich nach einem Besuch des Wasserfalls auch in den Alltag der Halbinsel zu stürzen. Manchem Vielreisenden gilt diese Ecke des Landes als die schönste und sympathischste. Mit dem Playa Rincon etwa, am Rand des Dorfs Las Galeras, wartet gar einer der paradiesischsten Strände der ganzen Karibik.

Den inoffiziellen Titel „Ibiza der Karibik“ hätte hingegen das ehemalige Fischerdorf Las Terrenas verdient. Hier treffen Backpacker auf Altaussteiger aus Europa und auf Immobilienritter, die hier das nächste Geschäft wittern. Las Terrenas hat zwar seinen dörflichen Charme mittlerweile etwas verloren, dürfte aber für Individualtouristen immer noch der geschmeidigste Ort im ganzen Land sein. Hier reiht sich ein Lounge-Sofa ans nächste – Erinnerungen an Café-del-Mar-Zeiten kommen hoch. Schmusige Barmusik säuselt aus den Lautsprechern.
Internationale Restaurants reihen sich an Boutiquen und an Freiluftgalerien mit den farbenfrohen Kunstwerken haitianischer Maler. Ein paar Häuserecken weiter lassen es Jugendliche aus mannshohen

Lautsprechern krachen: Reggaeton, Merengue und Bachata im Powerplay. In irgendeiner Ecke wird immer gefeiert, zur Not spontan. Und das türkisblaue Wasser ist stets in Reichweite.
Das nächste größere Ding erwarten Spekulanten etwa 40 Kilometer weiter südlich, in Santa Barbara de Samaná, kurz: Samaná. Allein die Fahrt dorthin ist ein Erlebnis. Auch für die Augen: Häuser in schillernden Farbtönen unter Palmenmeeren. Sonntags wird’s besonders bunt, dann ist Waschtag. Kleidung, Teppiche, Decken und Matratzen in allen Farben trocknen über Büschen und Sträuchern, Gartenzäunen und Einfahrtstoren.

Selbst Leitplanken werden als Wäscheständer zweckentfremdet. Wenige Kilometer vor dem Ort bietet sich ein fantastischer Ausblick auf die Bucht. Wie eine überdimensionale Badewanne liegt sie unterhalb der Hügellandschaft. Hie und da verirrt sich ein Kreuzfahrtschiff hierher, einige wenige Segler genießen die Einsamkeit auf dem Wasser.

Die Stadt hat bislang ihren ursprünglichen Charme behalten. Der Alltag ist lebhaft und zuweilen karibisch-chaotisch. Doch an Orten, wo sich mehr Fremde als Einheimische treffen, ist herauszuhören: Hier wittern Touristiker das nächste mittelgroße Ding der Dominikanischen Republik. Vor wenigen Jahren hat sich eine spanische Luxushotelkette bereits die Premiumlage oberhalb der Stadt gesichert und ein Komforthotel errichtet.

Außerdem wurde in Hafennähe ein Einkaufs- und Erlebniszentrum installiert. Pueblo Principe entstand im Stil eines bunten Dorfes, eine karibische Mall gewissermaßen. Von der homogenen Architektur könnten sich deutsche Stadtverschandeler gerne inspirieren lassen. Innerhalb weniger Jahre soll eine Marina mit fast 300 Yachtliegeplätzen hinzukommen. Noch herrscht in den Restaurants am Hafen beschauliche Ruhe. Doch das könnte sich ändern. Dann gibt es womöglich von Samaná-Stadt aus einen Run auf den Salto de Limón – und auf die Gummistiefel.

Samaná

Anreise
Zum Beispiel mit Air Berlin (

www.airberlin.com

) nach Punta Cana oder Puerto Plata. Von dort weiter mit dem Mietwagen oder Bus. Die Straßen in den Nordwesten sind mittlerweile gut ausgebaut.

Veranstalter
Pauschalreisen auf die Halbinsel Samaná kann man über FTI Touristik buchen (www.fti.de). Ausflüge zum Salto de Limón bieten örtliche Veranstalter an, etwa Hola Tours & Travel (www.holatours.com).

Unterkunft
Das Hotel Gran Bahia Principe Cayacoa liegt erhöht über Samaná, mit einmaligem Blick auf Hafen, Bucht und den Nationalpark Los Haïtises. Die noch relativ neue Herberge bietet komfortable Zimmer, eine gepflegte Gartenanlage und bemühtes Personal. Mit dem Panoramalift schwebt man zum Haussandstrand, DZ ab ca. 80 Euro (www.bahia-principe.com). Das Hotel Gran Bahia View liegt zentral in Samaná-Stadt. Einfache, saubere vier Wände zu zivilen Preisen, DZ ab ca. 14 Euro, mit Klimaanlage für ca. 24 Euro.

Sicherheit
Die Kriminalität in der Dominikanischen Republik ist nach wie vor hoch. Wenn Reisende einige Besonderheiten beachten, ist das Risiko jedoch kalkulierbar. Informationen geben die Reisehinweise des Auswärtigen Amts unter www.auswaertiges-amt.de.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall einen Besuch auf dem Inselchen Cayo Levantado einlegen. Auch bekannt als Bacardi-Insel, weil hier der Werbespot eines bekannten Spirituosenherstellers abgedreht wurde. Türkisblaues Meer und feiner Sand vermitteln Karibik-Feeling. Von der Bootsanlegestelle in Santa Barbara legen Schiffe zur Walbeobachtung in der Bucht ab.

Auf keinen Fall bettelnden Kindern Geld geben, weil es zum Schuleschwänzen erzieht. Und Bildung ist auch in der Dominikanischen Republik immer noch das beste Mittel gegen Armut.

Allgemeine Informationen
www.dominican-republic.de
www.the-samana-page.com