Wie erleben sie den Umgang mit Sterbenden und Angehörigen? Darüber sprachen in der Murrer Peterskirche der evangelische Marbacher Dekan Ekkehard Graf, die Hebamme Kirstin Moede, die Moderatorin Karin Götz, der Arzt Jürgen Wirth, die ehrenamtliche Sterbebegleiterin Daniela Winter und Frank Bender, Leiter der Diakoniestation Bottwartal (von links). Foto: Werner Kuhnle

Gutes Sterben – geht das überhaupt? Wie kann es gelingen, und wer kann was dazu beitragen? Ein Arzt, ein Geistlicher, eine Hebamme, eine Hospiz-Ehrenamtliche und ein Pflege-Fachmann erzählen.

Wenn die Hebamme Kirstin Moede erzählt, wie Frauen ein im Mutterleib gestorbenes Kind zur Welt bringen müssen, ist das schwer auszuhalten. Wie das nicht im Kreißsaal geschieht, sondern in einem „schönen Raum, mit bester Unterstützung, würdevoll“. Wie die Mutter das Baby danach dennoch auf den Bauch gelegt bekommt. Wie ein Sternenfotograf das Kind porträtiert. Und wie Moede selbst in der Nachbetreuung im Wochenbett „eigentlich auch nichts anderes als Hospizarbeit“ macht.

Wie geht man gut aus dem Leben? Und wie kann das Ende gut begleitet werden? „Kein einfaches, aber ein existenzielles Thema. Der Verstand weiß, dass Leben und Tod zusammengehören. Aber das Herz kommt oft nicht hinterher“: So umschreibt Karin Götz, Leiterin der Gemeinschaftsredaktion Ludwigsburg dieser Zeitung, die Zerreißproben am Lebensende in ihrer Anmoderation zu einer Podiumsdiskussion. Sie steht unter der Überschrift „Aus dem Leben – für das Leben“, Anlass ist das 25-jährige Bestehen der Hospizgruppe Steinheim-Murr-Erdmannhausen. Jeder, der mitredet, hat tiefe Erfahrung mit dem Thema: ob der evangelische Marbacher Dekan Ekkehard Graf, die Hebamme Kirstin Moede, der Arzt Jürgen Wirth, die ehrenamtliche Sterbebegleiterin Daniela Winter oder Frank Bender, Leiter der Diakoniestation Bottwartal. Ihre Erkenntnisse und Tipps aus der Begleitung sterbender Menschen und ihrer Angehörigen zeichnen ein vielschichtiges Bild, das zeigt: Würde man offener und früher über die eigene Endlichkeit und die seiner Nächsten nachdenken, verlöre der Tod in manchem Fall etwas an Bedrohlichkeit und Schrecken.

„Der Raum erfüllte sich mit großem Frieden“

Eine „unwahrscheinliche Ruhe“ habe die Frau von der Hospizgruppe in den Raum gebracht, in dem ihre Großmutter im Sterben gelegen habe, berichtet Daniela Winter über den Auslöser, warum sie sich später selbst für die zeitintensive ehrenamtliche Ausbildung entschieden habe. Die Sterbebegleiterin, die Wache am Bett hielt, entlastete die Angehörigen. „Unsere Familie war ein Stück weit überfordert, aber als die Begleiterin da war, erfüllte sich der Raum mit großem Frieden“, erzählt Winter. „Und meine Oma hat sich gefreut, dass sie nicht alleine war.“ Das Engagement sei in einem immer schneller und umfangreicher werdenden Arbeitsleben ein Gegengewicht, bei dem sie ihre inneren Werte spüre, betont die Assistentin im gehobenen Management. Sie werde immer dafür sorgen, dass ihr diese Einsätze möglich seien. „ Sonst wechsle ich die Stelle.“

Während die Ehrenamtler aus der Hospizbewegung Menschen am Lebensende ihre Zeit schenken, steht diese Zeit in der Pflege oft zu wenig zur Verfügung. „Hilfe von außen anzunehmen, fällt außerdem vielen Beteiligten nicht leicht. Aber eine Versorgung kann nur gut gelingen, wenn alle im Sinne des Sterbenden zusammenarbeiten“, sagt Frank Bender. Auch geistlichen Beistand zu leisten ist immer herausfordernder, wie Ekkehard Graf berichtet: „Früher waren Pfarrer oft bei der Begleitung Sterbender dabei, heute sind leider die Terminkalender oft zu voll.“

Wie man die Begleitung mental gut hinbekommt? „Auch wenn das hart klingt: Man muss sich sagen, das Leid der anderen ist nicht mein Leid“, sagt der Dekan, der auch als Notfallseelsorger tätig ist. „Nur dann kann man empathisch und dem anderen ein Fels in der Brandung sein, ohne selbst ins Wanken zu kommen.“ Dazu, so der Tenor der Diskutanten, brauche es eine stabile, gefestigte Persönlichkeit und Klarheit über die eigenen Beweggründe, in existenziellen Situationen Beistand leisten zu wollen.

Aus der Begleitung seines eigenen Vaters in der letzten Lebensphase hat der Arzt Jürgen Wirth viel mitgenommen. „Unser früher schwieriges Verhältnis entspannte sich in dieser Zeit.“ Er konnte mit dem Vater plötzlich anders reden. „Den Weg geebnet hat uns auch, dass ich ihm von Anfang an die Wahrheit über seine Krankheit und den Verlauf gesagt habe“, ist sich Wirth sicher. „Das läuft in meinem Berufsalltag oft leider nicht so.“ Meist werde mehr mit den Angehörigen über den Patienten gesprochen als mit dem Patienten selbst. Und: „Die Angehörigen stehen dem Sterben auch oft im Weg.“ Dabei, so seine Überzeugung, sei den meisten Menschen die Wahrheit zuzumuten. Je älter man werde und je länger der Leidensweg sei, desto leichter werde es oft, den nahenden Tod zu akzeptieren. „Deshalb ist das fast Tröstliche an Tumorerkrankungen, dass man mehr Zeit hat, sich zu verabschieden und seine Dinge zu regeln“, so Wirth. „Mit einer plötzlichen Erkrankung, die schnell zum Tod führt, kommen alle Beteiligten viel schlechter zurecht.“

Die Endlichkeits des Seins stärker im Leben zu verankern, damit kann man früh anfangen: Das zeigt zum Beispiel das Projekt „Hospiz macht Schule“, das die Ökumenische Hospizinitiative im Landkreis Ludwigsburg an Grundschulen anbietet und das dort wegen der Herangehensweise viel Wertschätzung genießt. Überhaupt: „Kinder haben eine eigene Art und Weise des Umgangs. Ich plädiere dafür, sie zur Trauerfeier und zur Beerdigung mitzunehmen“, so Ekkehard Graf. „Der abstrakte Weg von der Oma zum Blumenbeet oder zur Urnenwand ist für sie nicht nachvollziehbar.“